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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle
Autoren: R Merle
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Junker, ich und meine Eskorte. Wir wollen dir nichts aus dem Beutel nehmen, sondern etwas hineintun. Schaff deine altmodische
     Arkebuse, deren Lunte ja nicht einmal gezündet ist, nur dahin, wo du sie hergenommen hast, und bring uns eine gute Flasche
     Aunis-Wein.«
    Hiermit besetzte ich, in respektvoller Verzögerung von Nicolas gefolgt, einen Schemel und warf einen Sou auf den Tisch. Bei
     diesem Schatz traute der gute Mann seinen Augen nicht, raffte die Münze rasch an sich und rief, die Arkebuse noch immer an
     sich gedrückt, sein Ehegespons, wahrscheinlich damit sie uns überwache, dann verschwand er durch eine Falltür wie der Teufel.
    Nun nahte sich im Wiegeschritt eine Vettel, doppelt so dick wie ihr Mann, die Arme unterm Busen verschränkt, als müsse sie
     ihn stützen. Eine Weile musterte sie uns aus harten, kleinen schwarzen Augen. Endlich fragte sie Nicolas in einem Gemisch
     aus Französisch und der Mundart des Aunis, wer der »Moussu« sei. Das war das einzige Wort, das ich verstand. Zum Glück sprach
     Nicolas das Okzitanische besser als ich, wenn auch nicht ganz das im Aunis übliche.
    »Der ›Moussu‹«, sagte Nicolas, »ist der Königliche Rat, Graf von Orbieu.«
    Hierauf setzte die Vettel ihre Massen in Bewegung, um zwei staubige Becher herbeizubringen, stellte sie auf den Tisch und
     ließ uns, ohne ein Wort zu verlieren, allein.
    »Herr Graf«, sagte Nicolas, »erlaubt Ihr, daß ich die Becher draußen am Brunnen wasche?«
    »Besten Dank, Nicolas, und sag bitte Hörner bei der Gelegenheit, daß ich ihm und seinen Männern gleich vier Flaschen hinausbringen
     lasse, denn für so viele ist der Saal hier zu klein.«
    Nicolas war fort, durch die Falltür sah ich den Kopf des Schankwirts auftauchen, dann seinen Oberkörper, dann seine Hände,
     in der einen eine Weinflasche, die andere hielt immer noch die Arkebuse umklammert. Gebieterisch nahm sein Weib ihm die Waffe
     ab, stellte sie an ihren Platz, entkorkte die Flasche und zeigte nicht die geringste Verwunderung, als Nicolas mit den sauberen
     Bechern wiederkam. Anscheinend, dachte ich, ist es hier Sitte, daß die Gäste das Geschirr selber waschen, falls sie das für
     nötig halten.
    |12| Ich bestellte noch vier Flaschen für meine Schweizer und legte drei Sous auf den Tisch. Aber die Gevatterin verlangte vier,
     so schnell hatte sie sich auf meinen Preis eingestellt, außerdem witterte sie, daß meine Großzügigkeit, wenn ich so sagen
     darf, nicht umsonst wäre und diese oder jene Frage einschloß.
    Kaum hatte ich meinem Obolus einen Sou hinzugefügt, grapschte das Weib mit seiner fetten Hand die vier Münzen, bevor ihr Mann
     auch nur Uff sagen konnte. Auf ein barsches Wort von ihr verschwand er wiederum im Kellerloch, was wohl im eigentlichen wie
     im übertragenen Sinn sein tägliches Los sein mochte.
    Die Vettel wartete, bis der Arme aus dem Keller zurückkehrte und die Flaschen zu meinen Schweizern hinausbrachte, dann setzte
     sie sich ohne Umstände an unseren Tisch und fragte Nicolas, was der »Moussu« wolle, wobei ich die Frage nur aus der Antwort
     verstand, die Nicolas ihr gab.
    »Der Herr Graf«, sagte Nicolas, »wünscht in Saint-Jean-des-Sables ein Haus zu mieten, wo er mit seinen Schweizern wohnen kann.«
    Dies sagte er zuerst auf französisch, dann übersetzte er, ein Verfahren, das er über das ganze Gespräch beibehielt.
    Nachdem das Weib endlich begriffen hatte, was ich wollte, beklagte sie sich erst einmal unter endlosem Ach und Weh, wie sehr
     ihre dick geschwollenen Beine sie schmerzten. Deshalb auch habe sie, mit Verlaub, sich an meinen Tisch gesetzt.
    Dann ließ sie mich wissen, daß sie und ihr Mann ehrbare Leute seien, bekannt als solche in Saint-Jean-des-Sables und gerne
     jedermann behilflich, auch, wenn es sich so ergebe, Fremden wie uns. Nur sei sie andererseits gar knapp dran und müsse für
     das, was ich wissen wolle, verlangen, daß ich ihr ein bißchen die Pranke schmiere. Nicolas war entrüstet über soviel Raffgier,
     schließlich hatte die Vettel meine Freigebigkeit schon ausgenutzt, als sie ihren Weinpreis saftig aufschlug. Damit sie sich
     nun nicht erkühne, abermals mehr zu fordern, wenn ich ihr ein Angebot machte, blickte ich sie mit strenger Miene an.
    »Gevatterin«, sagte ich scharf, »ein für allemal und ohne Widerrede, ich gebe dir fünf Sous, wenn du den Mund aufmachst, aber
     keinen Sous mehr.«
    »Ist schon recht, Moussu«, sagte sie, Schmalz in der Stimme.
    |13| Ich zog die fünf Sous
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