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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle
Autoren: R Merle
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Hugenotte, sagte er, halte er sich an die Zehn Gebote: Mord sei Todsünde. Und ob man in solcher
     Notlage gegen das göttliche Gesetz verstoßen dürfe, das allein zu entscheiden fühle er sich nicht berufen. So erbat er hierzu
     denn die Meinung des Pastors Salbert, der, ebenso wie er zum Krieg gedrängt hatte, auch kein Wort von Kapitulation duldete.
     Trotzdem verwarf Pastor Salbert den Mordplan schon bei den ersten Worten.
    »Das«, sagte er, »ist ein ganz ungerechtes und ganz abscheuliches Mittel, dies kann der Weg des Herrn nicht sein, um La Rochelle
     zu erlösen.«
    Als mir die Geschichte nach dem Friedensschluß zu Ohren kam, empfand ich alle Achtung vor diesen Kalvinisten. Wie unendlich
     viel treuer waren sie doch dem Wort Gottes als die Fanatiker der Heiligen Liga, die kein Gewissen, keine Gottesfurcht gehindert
     hatte, sich Heinrichs III. und Henri Quatres durch Mord zu entledigen. Doch brauchte man gar nicht so weit zurückzudenken:
     Was war denn von jenen Komplotteuren im Umkreis Monsieurs, der Vendôme-Brüder und sogar der Königin zu halten, die es seelenruhig
     darauf anlegten, Richelieu zu ermorden und den König ins Kloster zu sperren?
    ***
    Meine erste Sorge, als wir nach unserem glänzenden Sieg über die Engländer von der Insel Ré aufs Festland kamen, war es, für
     mich und meinen Junker, Nicolas de Clérac, Pferde zu kaufen, denn unsere waren während der Belagerung der Zitadelle mit gut
     zweihundert anderen gnadenlos geschlachtet und aufgegessen worden.
    Das schanzenbewehrte Feldlager rings um La Rochelle wimmelte nicht nur von Soldaten, dort gab es auch Händler, die in großen
     Zelten alles verkauften, was irgend auf dieser Welt für Geld zu haben ist, sogar Huren, das allerdings nur geheim und an sehr
     verschwiegenen Orten, denn die Polizei des Königs, tugendhaft wie ihr Herr, verbot solchen Handel. Der Preis, der mir für
     zwei Stuten abverlangt wurde, war so über allen Brauch und Verstand, daß ich lange feilschen mußte, um ihn zu drücken. Ein
     Glück nur, daß meine Schweizer, mit ihrem Hauptmann Hörner elf an der Zahl, ihre Tiere während |10| der Belagerung nicht hatten opfern müssen, aus dem einfachen Grund, weil sie als Schweizer nicht in die Liste der französischen
     Kavallerie eingetragen waren. Es war dies das erste und einzige Mal im Leben, daß mir die Federfuchserei von Intendanten zum
     Segen ausschlug und eine große Ausgabe ersparte, denn da ich die Schweizer gedungen hatte, hätte ich ihnen selbstverständlich
     die Pferde ersetzen müssen, wenn ihre ebenfalls im Kochtopf gelandet wären.
    Auch meine neue Stute taufte ich Accla, im Gedenken an jene, die ich in der Zitadelle auf der Insel Ré hatte opfern müssen,
     und so konnte ich mir einbilden, sie sei noch am Leben.
    Sobald wir beide glücklich aufgesessen waren, begab ich mich nach Aytré, der kleinen Ortschaft südlich von La Rochelle, wo
     der König Quartier bezogen hatte, und zwar in der zwiefachen Hoffnung, ihn zu sehen und ein Dach für mich und meine Schweizer
     zu finden.
    Meine Hoffnungen wurden beide enttäuscht. Wie ich von Berlinghen erfuhr, war der König zur Inspektion der Truppen aufgebrochen,
     die in Coureille lagen, an der Südspitze der Bucht von La Rochelle, und wurde erst übermorgen zurück erwartet. Und das königliche
     Gefolge war so zahlreich, daß es in Aytré kein Haus, keine Hütte gab, die nicht überbelegt waren. »Hier fällt keine Nadel
     mehr zu Boden«, sagte Berlinghen, Ludwigs Kammerdiener.
    So beschloß ich, meine Suche anderswo fortzusetzen, und nahm den Weg nach Süden, am Meer entlang. Unweit von Aytré lag ein
     Dorf, Saint-Jean-des-Sables, das mich gleich durch seinen Namen, seinen Strand und seine Ausblicke auf den Ozean entzückte.
     Als ich keinen Gasthof entdeckte, faßte ich eine Schenke,
Zum goldenen Apfel
, ins Auge. So marode und armselig aber, wie das Gebäude aussah, das besagten Apfel barg, mußten seine goldenen Zeiten lange
     vergangen sein.
    Der Schankwirt, ein schmächtiger Hinkefuß, war über unseren Eintritt zunächst erfreut, als er jedoch durch sein einziges verglastes
     Fenster – die anderen waren aus Sparsamkeit mit Ölpapier verklebt – draußen meine Schweizer gewahrte, fürchtete er, man wolle
     ihn ausrauben. Er humpelte los, griff sich aus einem Winkel eine alte Arkebuse und legte wortlos auf uns an. Der Schreck hatte
     ihm die Sprache verschlagen.
    »Guter Mann«, sagte ich, »wir sind ehrbare Leute allesamt, |11| mein
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