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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow
Autoren: Boris Strugatzki
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hingebungsvoll. »Gib das Programm dem Autopiloten ein!«
    »Habe ich schon gemacht, Ljoschenka«, gestand Michail Antonowitsch schuldbewusst.
    »Auch gut«, erwiderte Bykow. »Wo sind wir jetzt?«
    »In einer Stunde kommen wir in die Anflugphase«, antwortete Michail Antonowitsch. »Wir überqueren den Nordpol des Jupiters« – das Wort »Jupiter« sagte er mit sichtlichem Behagen – »in einer Entfernung von zwei Durchmessern, macht zweihundertneunzig Megameter. Dann setzen wir zur letzten Umkreisung an. Wir sind schon so gut wie angekommen, Aljoschenka.«
    »Rechnest du die Entfernung vom Zentrum des Jupiters aus?«
    »Ja.«
    »Gib mir in der Endphase alle fünfzehn Minuten die Entfernung von der Exosphäre durch!«
    »Zu Befehl, Ljoschenka«, sagte Michail Antonowitsch.
    Bykow gähnte noch einmal, rieb sich verdrossen mit den Fäusten die Augen, die ihm zufallen wollten, und schritt am Pult der Havariesignalisation entlang. Hier war alles in Ordnung. Das Triebwerk lief gleichmäßig, das Plasma pulsierte im Arbeitsrhythmus, die Einstellung der Magnettraps war einwandfrei. Für die Magnettraps trug Bordingenieur Shilin die Verantwortung. Ein tüchtiger Kerl, der Shilin, dachte Bykow. Hat alles ausgezeichnet reguliert, der junge Spund.
    Bykow blieb stehen und versuchte durch eine winzige Kursänderung die Einstellung der Traps zu stören. Aber es trat keine Störung ein. Der weiße Lichtfleck hinter der durchsichtigen Plastscheibe bewegte sich nicht einmal. Ein tüchtiger Kerl, der junge Spund, dachte Bykow erneut. Er ging um die konvexe Wand des Photonenreaktors herum. Am Steuermodul des Reflektors stand Shilin mit einem Bleistift zwischen den Zähnen. Er stützte sich mit beiden Händen auf den Pultrand und steppte ganz sacht mit den Fußspitzen, wobei sich die mächtigen Schulterblätter auf seinem gekrümmten Rücken im Takt bewegten.
    »Guten Tag, Wanja«, sagte Bykow.
    »Guten Tag, Alexej Petrowitsch!« Shilin drehte sich ruckartig um und fing behände den Bleistift auf, den er zwischen den Zähnen gehalten hatte.
    »Wie steht’s mit dem Reflektor?«, fragte Bykow.
    »Er ist in Ordnung«, antwortete Shilin. Trotzdem beugte sich Bykow über das Pult und ergriff den festen blauen Papierstreifen mit den Aufzeichnungen des Kontrollsystems.
    Der Reflektor war das wichtigste und empfindlichste Element des Photonentriebwerkes, ein gigantischer Parabolspiegel, der mit fünf Schichten eines höchst widerstandsfähigen Mesomaterials überzogen war. In der ausländischen Literatur wird der Reflektor oft »sail«, Segel, genannt. Im Brennpunkt des Paraboloids explodieren in jeder Sekunde Millionen Portionen von Deuterium-Tritium-Plasma, die sich in Strahlung umsetzen. Der Strom der blassvioletten Flamme trifft auf die Oberfläche des Reflektors und erzeugt die Schubkraft. Dabei entstehen in der Schicht des Mesomaterials gigantische Temperaturdifferenzen, und das Mesomaterial verbrennt allmählich, eine Schicht nach der anderen. Außerdem wird der Reflektor unaufhörlich von der meteorischen Korrosion zerfressen. Wenn der Reflektor bei eingeschaltetem Antrieb im Fundament zusammenbricht, wo das dicke Rohr des Photonenreaktors angeschlossen ist, verglüht das Raumschiff augenblicklich in einem geräuschlosen Lichtblitz. Deshalb wird der Reflektor der Photonenschiffe jeweils nach hundert Astronomischen Einheiten Flug ausgewechselt. Aus dem gleichen Grund misst das Kontrollsystem ununterbrochen den Zustand der Arbeitsschicht auf der gesamten Oberfläche des Reflektors.
    »So«, sagte Bykow, während er den Streifen durch die Finger gleiten ließ. »Die erste Schicht ist verbrannt.«
    Shilin schwieg.
    »Michail!«, rief Bykow. »Weißt du, dass die erste Schicht ausgebrannt ist?«
    »Ich weiß es, Ljoschenka«, antwortete der Navigator. »Was willst du eigentlich? – Ein Oversun, Ljoschenka!«
    Ein »Oversun« oder »Sprung über die Sonne« wurde selten vorgenommen, nur in Ausnahmefällen wie jetzt, da auf den J-Stationen Lebensmittelknappheit herrschte. Beim Oversun liegt zwischen dem Startplaneten und dem Zielplaneten die Sonne. Vom Standpunkt der Kosmogation aus betrachtet, eine sehr ungünstige Konstellation. Beim Oversun läuft das Photonentriebwerk mit äußerster Kraft, steigert sich die Geschwindigkeit des Schiffes bis zu sechs-, siebentausend Kilometern in der Sekunde, und an den Instrumenten treten allmählich Effekte der nichtklassischen Mechanik auf, die bisher noch kaum erforscht sind. Die Besatzung kommt
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