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Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Titel: Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
Autoren: Andreas Brandhorst
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die sich über Jahre hinweg angesammelt hatten. Die Realität reduzierte sich plötzlich auf ihre Mutter Loana, den leeren Sarkophag und sie selbst. Alles andere – die Soldaten, die Tal-Telassi, der schwarze Quader, der wachsame Observant – wich zurück und verlor an Bedeutung.
    »Du lebst für ein Phantom, Mutter«, sagte Dominique mit Nachdruck. »Und du hast dieses Phantom zur zentralen Figur einer Religion gemacht!«
    »Er war dein Vater, Dominique«, erwiderte Loana mit einem Blick wie aus weiter Ferne.
    »Aber bei unseren Vorfahren, er war kein Gott !« Der letzte Damm in Dominique brach; es gab kein Zurück mehr. »Was du mit deinem Leben machst, ist deine Sache, Mutter. Wenn du in der Vergangenheit leben und dich ganz der Heldenverehrung widmen möchtest – schön. Aber ich habe genug davon! Schon meine frühesten Erinnerungen zeigen das Bild eines Übervaters, neben dem alles andere verblasst, neben dem ich nichts bin, neben dem niemand etwas sein kann!«
    »Dominique …« Loana streckte die Hand aus.
    Die junge Frau beachtete sie nicht. »Ich trage sogar seinen Namen! Wie kann ich unter solchen Bedingungen jemals ich selbst sein?«
    »Wir verdanken ihm so viel …«
    »Er hat dir die Zukunft genommen, Mutter! Die Zukunft als Tal-Telassi!« Dominique trat auf Loana zu, griff nach der ausgestreckten Hand und auch nach der anderen, hob sie beide ins Licht einer nahen Lampe. An den Fingerkuppen zeigten sich nicht die geringsten violetten Verfärbungen. »Hast du das vergessen? Er hat dir damals versprochen, dir den Weg zum Zentrum des Tal-Telas zu zeigen, aber stattdessen nahm er dir deine Fähigkeiten.«
    Loana löste ihre Hände, betrachtete sie kurz und ließ sie dann sinken. »Es war nicht seine Schuld.«
    » Nichts war seine Schuld. Dominik, der strahlende Held, ohne den geringsten Makel.« Dominique atmete tief durch. Ein Teil von ihr wusste, dass sie übertrieb und dass dies weder die richtige Zeit noch der geeignete Ort war, um den Frust ihres zweiundzwanzig Jahre kurzen Lebens abzureagieren. Aber für den anderen Teil war die Schmerzgrenze erreicht, aus mehreren Gründen. »Die Wahrheit fängt damit an, dass Dominik nicht einmal Dominik war, sondern die wiedergeborene Ahelia, jene Großmeisterin, die die Graken zu uns brachte . Du verehrst die Person, die für die Zeit der Schande verantwortlich ist, Mutter. Die Person, der wir dies alles verdanken.« Sie vollführte eine Geste, die der veränderten Situation galt, nicht nur auf Millennia, sondern überall dort in den AFW, wo Tal-Telassi lebten. »Und ich bin von ihrem Fleisch und Blut!«
    Was ist mit ihrem Geist? , fragte sich Dominique, nicht zum ersten Mal. Habe ich auch etwas davon in mir?
    »Das ist nicht wahr!«, sagte Loana, und jetzt lag Schärfe in ihrer Stimme. »Dominik trifft keine Schuld. Er hat uns alle gerettet.« Sie legte die Hände wieder auf den Sarkophag und flüsterte Worte, die Dominique nicht verstand.
    »Mit wem redest du, Mutter? Glaubst du, er kann dich hören? Der Sarkophag ist leer !«
    Sie dachte nicht an den Observanten, als sie ins Tal-Telas griff – es war so einfach , sein Ursprung so nahe –, in Crama den Deckel des Sarkophags packte und zur Seite stieß. Zum Vorschein kam staubige Leere.
    »Sieh hinein, Mutter!«, rief Dominique. »Sieh hinein!« Fast hätte sie sich dazu hinreißen lassen, Loana mit der achten Stufe, Hilmia, zu zwingen, ins Innere des Sarkophags zu blicken; im letzten Moment schreckte sie davor zurück.
    »Er ist hier gestorben«, sagte ihre Mutter. »An diesem Ort. Vor dreiundzwanzig Jahren.«
    Dominique hatte das mehrfache Schrillen des Illegalitätsalarms überhört, aber jetzt, nachdem ihr Zorn ein wenig abgekühlt war, kehrte die Realität zurück. Der Observant stand neben dem offenen Sarkophag, von Sensorhemd und Neurohaube darauf hingewiesen, dass unzulässige Tal-Telas-Aktivitäten stattgefunden hatten. Er richtete eine klobige Waffe auf die junge Frau, einen Variator, wie Dominique wusste.
    »Sie stehen hiermit unter Arrest«, sagte der Mann, jetzt mit einem Kampfvisier vor den Augen.
    Dominique sah alles wie in einem Tableau: die Soldaten, Wissenschaftler, Tal-Telassi und auch Loana nur Statisten, die Sarkophage Kulisse, die einzigen Protagonisten auf dieser Bühne des Geschehens der Observant und sie selbst. Und auch der Mann mit der Waffe in der Hand spielte nur eine untergeordnete Rolle, wie ihr die Muster in Gelmr zeigten. Als sich die Sekunden dehnten, hätte sie ihm andere
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