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Kanonenfutter

Kanonenfutter

Titel: Kanonenfutter
Autoren: Alexander Kent
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Little hatte dafür gesorgt, daß es bisher glatt gegangen war. Sein Name paßte überhaupt nicht zu ihm, er war stämmig und übergewichtig, ja dick, und sein Bauch hing wie ein Sack über den Gurt seines Entermessers. Wie er das bei den schmalen Rationen des Zahlmeisters schaffte, war ein Rätsel. Aber er war ein guter Mann, erfahren und ausgekocht, ihn legte niemand herein.
    Bolitho sagte: »Noch eine Station, Little, und dann…« Er lächelte ihm schuldbewußt zu. »Dann gebe ich für alle einen aus.«
    Da strahlten sie: sechs Matrosen, ein Korporal der Seesoldaten und die beiden jungen Spielleute, die wie Zinnsoldaten aussahen.
    Ihnen machte es nichts aus, daß der Erfolg ihres Werbezugs miserabel gewesen war. Das Auftauchen von Bolithos Werbern erregte gewöhnlich wenig Interesse, ausgenommen bei Kindern und kläffenden Dorfkötern. Alte Erfahrungen wurden hier – so nahe der See – nicht so schnell vergessen. Viele erinnerten sich noch an die gefürchteten Preßkommandos, die rücksichtslos Männer von ihren Familien weggerissen und auf die Schiffe des Königs gezerrt hatten, wo sie den harten Bedingungen eines Krieges ausgesetzt waren, dessen Ursache sie nicht einmal kannten. Und wie viele dieser Leute waren nie zurückgekehrt!
    Bolitho hatte bisher vier Fr eiwillige gewonnen – aber Palliser erwartete zwanzig – und sie mit einem Begleiter zur Destiny geschickt, bevor sie es sich wieder anders überlegen konnten. Zwei von ihnen waren Berufsseeleute, die anderen Knechte, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten – ungerechterweise, wie beide versicherten. Bolitho hatte den Verdacht, daß es vielleicht dringendere Gründe für ihre freiwillige Meldung gab, doch blieb ihm keine Zeit, sie auszufragen. Sie trampelten über den ungepflegten Dorfanger, dessen hohes nasses Gras Bolithos schöne neue Schuhe und Strümpfe beschmutzte. Little legte einen Schritt zu, und Bolitho überlegte, ob es richtig gewesen war, ihnen allen einen Drink zu versprechen. Er gab sich innerlich einen Ruck. Bisher hatte nichts ordentlich geklappt, nun konnte es kaum noch schlimmer kommen.
    Little stieß einen Pfiff aus. »Vor der Kneipe stehen Männer, Sir.« Er rieb sich die großen Hände und sagte zu dem Korporal: »Auf, Dipper, laß deine Spielleute loslegen!«
    Die beiden Winzlinge in Soldatenuniform warteten, bis ihr Korporal den Befehl an sie weitergab; während der eine dann einen Wirbel auf seiner Trommel schlug, zog der andere eine Querpfeife aus dem Brustriemen und stimmte eine Tanzmelodie an.
    Der Korporal hieß Dyer. Bolitho fragte: »Warum nennen Sie ihn Dipper 1 ?«
    Little grinste mit abgebrochenen Zähnen, dem untrüglichen Kennzeichen eines Berufsboxers.
    »Du meine Güte, Sir, weil er Taschendieb war, bevor ihm die Erleuchtung kam, sich zu den Ochsen 2 zu melden.«
    Die Männergruppe vor dem Gasthaus schien sich zu zerstreuen, als die Matrosen und Seesoldaten näherkamen. Nur zwei Gestalten blieben stehen, und ein ungleicheres Paar konnte man sich kaum denken.
    Der eine war klein und quirlig und hatte eine scharfe Stimme, die Trommel und Querpfeife leicht übertönte. Der andere war groß und kräftig, bis zum Gürtel nackt, und seine Arme und Fäuste hingen herunter wie Waffen, die nur auf ihren Einsatz warteten.
    Der kleine Mann, ein Ausrufer vom Jahrmarkt, der sich zunächst über das plötzliche Verschwinden seines Publikums geärgert hatte, sah nun die Seeleute und wandte sich ihnen munter zu.
    »Well, well, well, wen haben wir denn da? Söhne des Meeres, echte britische Teerjacken!« Er zog seinen Hut vor Bolitho. »Und ein richtiger Gentleman an ihrer Spitze, zweifellos!«
    Bolitho sagte müde: »Lassen Sie die Leute wegtreten, Little. Ich sorge inzwischen dafür, daß der Wirt Bier und Käse herausbringt.«
    Der Schausteller schrie: »Wer von euch Tapferen wagt einen Kampf mit meinem Boxer?« Sein Blick wanderte von Mann zu Mann. »Eine Guinee 3 demjenigen, der gegen ihn zwei Minuten auf den Füßen bleibt!« Die Münze blitzte zwischen seinen Fingern. »Ihr braucht nicht zu gewinnen, Jungs, nur zwei Minuten kämpfen und auf den Füßen bleiben!«
    Er hatte jetzt ihre volle Aufmerksamkeit gewonnen, und Bolitho hörte, wie der Korporal Little zuflüsterte: »Wie wär’s, Josh? Eine ganze Guinee!«
    Bolitho hielt an der Tür des Wirtshauses inne und schaute sich den Preisboxer zum erstenmal näher an. Er sah aus, als habe er Kräfte für zehn, wirkte aber trotzdem verzweifelt und bemitleidenswert, wie er so
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