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Kann denn Fado fade sein?

Kann denn Fado fade sein?

Titel: Kann denn Fado fade sein?
Autoren: Christina Zacker
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chaotische Wohnung kommen.
    Wir legen stattdessen einen Abstecher zur Serra da Estrela ein, das »Sternengebirge«. Hier, auf dem höchsten Gebirge von Kontinental-Portugal, liegt im Winter sogar Schnee. Ich staune: Es gibt auch ein Skigebiet. Von der Serra da Estrela aus reicht der Blick – so bilde ich mir ein – bis an den Atlantik: Meine neue Heimat liegt mir sozusagen zu Füßen …
    Erst am nächsten Abend erreichen wir São Domingos und kommen wirklich an. Trotz der langen Fahrt quer durch Europa, trotz Chaos, Kisten und bevorstehendem Stress in den folgenden Tagen: Ich fühle, dass es mir gut geht.
    Das gute Gefühl bleibt. Selbst wenn mich beinahe der Schlag trifft, als ich unser neues Heim betrete. Die Wohnung war doch bei der österlichen Besichtigung viel größer? Wo sind die 120 Quadratmeter, die wir gemietet haben? Der einzige Raum, in dem man sich wenigstens noch umdrehen kann, ist die Küche. Alles andere steht pickepackevoll: mit Möbeln, Pflanzen, unzähligen Kartons, Koffern, Taschen. Ungeordnet. Alles in den kommenden Tagen auszupacken und einzuräumen. Ich darf gar nicht daran denken …
    War es nicht außerdem viel heller in den Räumen? Wieso ist diese Wohnung plötzlich so dunkel? Es liegt nicht an der Tageszeit. Denn es ist heller Mittag; es herrscht keine Abenddämmerung. Auch ist die Nacht noch nicht hereingebrochen.
    Es liegt vielmehr daran, dass António plötzlich dazu neigt, sämtliche Vorhänge – und die sind alle blickdicht – auch tagsüber zuzuziehen. Muss eine portugiesische Eigenart sein, die er bisher vor mir verborgen hat. Ich verstehe das ja für die Tage, an denen wir auf unserer großen Fahrt waren und die Wohnung unbewohnt war. Musste ja nicht jeder das Chaos sehen. Und meine Pflanzen sollten ja auch nicht im grellen Sonnenlicht verdorren.
    Aber jetzt sind wir da! Ich liebe Licht und Sonne, und ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als wenn die Fenster weit offen stehen und frische Luft hereinkommt. Wenn die Gardinen sich in einer leicht säuselnden Brise bauschen.
    Allerdings ist der sogenannte nortada alles andere als ein solch laues Lüftchen. Der Nordwind bläst mit voller Wucht – und nachdem unsere Wohnung in genau seiner Richtung nach beiden Seiten Fenster hat, knallen mir die blickdichten Vorhänge samt Aufhängung und Stange nicht nur einmal zu Boden. Nichts da mit sanft wehenden Gardinen im abendlichen oder morgendlichen Wind. Kalt ist der nortada außerdem. So kalt, dass man in Cascais sagt: »Wenn dieser Wind weht, kann man getrost auf der Schattenseite einer Straße im Pelzmantel spazieren gehen. Auf der Sonnenseite dagegen läuft es sich besser im Bikini.«
    Der Nordwind tobt tagtäglich nachmittags so stark ums Haus, dass ich Fenster und Balkontüren schließen muss. Und das im Spätfrühling. Lebe ich nicht im warmen Süden? Haben wir nicht bald Sommer? Irgendwas scheint da nicht zu stimmen. Ich ahne so ganz langsam, dass es wohl in Portugal manchmal kalt wird. Aber noch mache ich mir keine Sorgen.
    Dafür gibt es zu viele Highlights. Schon an unserem zweiten Abend. António hatte sich entschieden, seinen Job in Lissabon aufzugeben, er fand sofort eine neue Stelle in Cascais. Ich hole ihn dort ab, und wir beschließen, den Abend in Ruhe ausklingen zu lassen. Sitzen in einer kleinen Kneipe direkt am Meer. Schauen auf den Atlantik. Hören die Wellen gegen das Steilufer brechen. Der Kellner macht auch bald Schluss, lädt uns noch zu einer Flasche vinho tinto ein, stellt dazu Oliven und tremoços auf den Tisch.
    Kleine Notiz am Rande:
    Was tremoços sind? Eingelegte Lupinensamen. Der berühmteste Fußballer Portugals, Eusébio, liebt die kleinen gelben Dinger. Auf die Frage, welche Meeresfrüchte, also mariscos , er am liebsten isst, antwortete er einmal: tremoços – die »Meeresfrüchte des Volkes«. Seitdem nennt man die leckere Knabberei nicht nur marisco do povo , sondern manchmal marisco de Eusébio . Jeder benfiquista weiß das – auch António natürlich. Er liebt tremoços , und mir schmecken sie ebenfalls.
    Ein Wirt, der auf sich hält, serviert übrigens nicht lediglich gekaufte Lupinenkerne, sondern verfeinert die tremoços . Auf Madeira etwa, wo ich diese Knabberei zu Bier oder Wein in Antónios Bar lieben lernte, legt man sie nicht nur in Salzlake ein, sondern gibt ihnen mit Knoblauch, Petersilie, roten oder grünen Paprikastückchen, manchmal auch etwas Piri-Piri einen besonderen Kick.
    Als ich António auf Madeira besuchte, hat er
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