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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Autoren: Kirstin Warschau
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und starrte über den Garten auf die Aufbauten eines vorbeiziehenden Containerfrachters. Auf der Wiese hatte ein Toter gelegen. Und sie wünschte sich, sie hätte niemals angefangen, über ihr Leben nachzudenken.

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    K riminalhauptkommissarin Olga Island knallte die Autotür zu und atmete erleichtert aus. Noch während sie den Wagen über den holprigen Parkplatz oberhalb des Falckensteiner Strandes gelenkt hatte, war ihr der Schweiß in feinen Rinnsalen den Rücken hinuntergelaufen. Als sie nun im Schatten der Bäume den Kofferraum öffnete, kühlte die leichte Brise vom Meer ihre verschwitzte Haut. Den ganzen Tag schon hatte sie vor sich hin transpiriert, und ihr blaues T-Shirt über dem drallen Bauch zierte eine feine, helle Salzkruste.
    Das Thermometer in ihrem Büro hatte bereits um acht Uhr morgens achtundzwanzig Grad Celsius angezeigt. Und obwohl die meisten Fenster den ganzen Tag offen standen, war es unter dem Dach der Bezirkskriminalinspektion in der Blumenstraße von Stunde zu Stunde heißer geworden. Wären sie Schüler gewesen und keine Kriminalbeamten, hätten sie hitzefrei bekommen. So aber mussten alle Mitarbeiter der Mordkommission, mit Ausnahme von Karen Nissen und Falk Taulow, die mit ihren Familien im Urlaub waren, an diesem Tag mehr oder weniger klaglos dem Feierabend entgegenschwitzen.
    Olga Island, die erst im vergangenen Jahr von Berlin in die Stadt ihrer Jugendzeit zurückgekehrt war, hatte den Eindruck, dass der Sommer für die Polizei in Kiel eine eher ruhige Zeit war. Es gab mehr freie Parkplätze in der Innenstadt und weniger alkoholbedingte Exzesse. Die Kieler Woche, auf der sich die Einheimischen und ihre Gäste traditionell ein wenig austobten, war vorbei, und Stadt und Land schienen in eine träumerische Schläfrigkeit verfallen zu sein.
    Diesen Montag hatte es allerdings einen noch ungeklärten Todesfall im Stadtteil Holtenau gegeben. Ein alter Mann war morgens tot auf einer Bank am Kanalufer sitzend aufgefunden worden. Auf dem Boden neben der Bank hatte ein altmodischer, mit Wappen besetzter Wanderstock gelegen, zwischen seinen Knien ein kleines Fernglas. Der Kriminaldauerdienst hatte einen Arzt verständigt, der bestätigte, dass der Tod wahrscheinlich in den frühen Morgenstunden durch Herzversagen eingetreten war. Der Mann war mit einem Bademantel bekleidet gewesen, in dessen Tasche die Chipkarte einer Krankenversicherung gesteckt hatte. Auf diese Weise hatten sie seine Identität schnell ermittelt. Es handelte sich um einen gewissen Hans Hinrichs aus einem Haus in der Kanalstraße. Ein Polizist hatte sich dort umgehört und von einer Bewohnerin erfahren, dass Hinrichs seit Jahren allein lebte und seine Wohnung schon seit vielen Monaten nicht mehr ohne Begleitung verlassen hatte. Das war dem jungen Beamten seltsam erschienen, und er hatte die Mordkommission informiert.
    Die Leiche war daraufhin in die Gerichtsmedizin geschafft worden, aber die Untersuchungen hatten die Vermutungen des Arztes bestätigt, dass Fremdeinwirkung weitgehend ausgeschlossen war. Der Leiter der Mordkommission, der Erste Hauptkommissar Thoralf Bruns, hatte sich zusammen mit Kriminaloberkommissar Jan Dutzen die Wohnung des Toten angesehen, aber sie hatten nichts Auffälliges entdecken können. Island hatte mit dem Hausarzt und der Mitarbeiterin des mobilen Pflegedienstes gesprochen, die den Verstorbenen in den vergangenen Jahren betreut hatten. Beide hatten sich vom Ableben des Rentners wenig überrascht gezeigt.
    Hans Hinrichs hatte seit Jahren an einer Angina Pectoris gelitten, einer schweren Herzinsuffizienz, und an einem sich fortentwickelnden Lungenemphysem, erfuhr Olga Island von Hinrichs’ Hausarzt. Die Angestellte der Pflegeengel GmbH aus Friedrichsort, an die Island verwiesen worden war, hatte kaum Zeit für ein Gespräch gehabt. Die Frau hatte bei laufendem Motor in dem kleinen Fiat ihrer Firma gesessen und durch das heruntergekurbelte Fenster energisch den Kopf geschüttelt.
    »Herr Hinrichs ist nie allein rausgegangen. Schon lange nicht mehr. Aber den schönen Ausblick auf den Kanal von seiner Veranda aus, den hat er immer sehr genossen.«
    »Ist Ihnen an ihm in der letzten Zeit irgendeine Veränderung aufgefallen?«, hatte Island gefragt.
    Der Pflegeengel hatte nicht lange nachdenken müssen. »Ich würde sagen, er war wie immer. Obwohl, wenn Sie mich so fragen, fällt mir gerade doch noch etwas ein. Herr Hinrichs war morgens in der letzten Zeit immer besonders verschlafen. Wenn ich zwischen
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