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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi
Autoren: Osman Engin
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Augen meiner Frau erkenne ich, dass sie vor lauter Freude über meine phantastische Argumentation kurz davor ist, hier und jetzt einen exklusiven Bauchtanz vorzuführen. Nach nur kurzer Bedenkzeit kommt der Konter von der besseren Seite des Schreibtisches:
    »Schön, dass Sie sich daran erinnern können, Herr Engin. Ich glaub’ Ihnen ja, dass Sie als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind. Aber ich weiß auch, dass Sie einen Asylantrag gestellt haben, und ich weiß auch, dass der abgelehnt worden ist.
    Und dur ch Ihre Erzählungen bin ich in meinem Gesamteindruck bestätigt worden, dass Sie überhaupt keine Scheu kennen, wenn es darum geht, deutsche Behörden hinters Licht zu führen. Ich fühle mich persönlich beleidigt, dass Sie allen Ernstes glauben, ich würde auf Ihre billigen Tricks hereinfallen. Und das mit dem falschen Urin, das merke ich mir. Das ist ein Fall für die Akte!
    Ich werde bei allen meinen Ausländern nachträglich Urinproben durchführen lassen! Und jetzt raus hier!«
    Mist, mein tolles Argument hat sich zu einem zusätzlichen Problem entwickelt. »Aber wo sollen wir denn sonst hin?« frage ich hilflos.

    »Ach, gehen Sie doch hin, wo der Pfeffer wächst!«
    »Wo wächst denn bitteschön der Pfeffer?«
    »Frau Engin, schaffen Sie endlich Ihren Mann hier raus, sonst verrate ich jedem hier im Büro Ihr wahres Alter.« Sekunden später finde ich mich auf dem Flur wieder.
    »Halt endlich die Klappe, Osman!« zischt mir Eminanim genervt ins Ohr. »Lass uns hier raus, bevor du alles nur noch schlimmer machst, als es ohnehin schon ist! Wie kann man nur so blöd sein und diesem Drachen von einer Beamtin freiwillig erzählen, dass man absoluter Profi darin ist, die deutschen Behörden zu bescheißen? Du Versager, du!!«
    War sie nicht vor einer Minute noch ganz stolz auf mich?
    Aber, so sind die Frauen! Kennst du eine, kennst du alle!
    »Wir kommen morgen wieder, Frau Kottzmeyer-Göhelsberg, hoffentlich ist unsere Akte dann endlich da«, ruft Eminanim von der Tür aus noch in das Büro hinein.
    »Osman, du Idiot! Warum hast du denn nicht auch noch erzählt, wie oft du schon beim Ladendiebstahl erwischt worden bist? Oder wie oft du mit dem Bus schwarzgefahren bist? Diese beiden Argumente hätten sie bestimmt umgestimmt!«
    »Oh, Frau, wann werden wir endlich aus diesem bösen Traum erwachen? Kneif mich mal in den Finger.« Sie tritt mit voller Wucht gegen mein Schienbein. Mit Tränen in den Augen krieche ich aus der Behörde und schleife mein fast lebloses rechtes Bein hinter mir her.
    »Ich habe doch nur gesagt, kneifen. Wenn ich wollte, dass man mir die Beine bricht, dann hätte ich mich doch vor die Straßenbahn gelegt. Komm, wir gehen erst mal nach Hause, wir müssen einen guten Plan ausarbeiten, um aus diesem Schlamassel wieder heil herauszukommen. »
    »Nix da, du gehst schön Arbeit suchen! Keine Auffälligkeiten!
    Alles muss seinen normalen Gang gehen. Unser ganz alltägliches, normales Leben ist der überzeugendste Beweis, dass wir niemals einen Asylantrag gestellt haben.« »Frau, ich arbeite doch seit Jahrzehnten tagaus, tagein. Lass mich wenigstens jetzt nicht mehr schuften, wo sie uns doch schon nächste Woche abschieben.«
    »Noch schiebt uns hier keiner ah! So leicht werde ich es denen nicht machen. Freiwillig lässt sich kein Mensch einfach so vertreiben. Ich werde ganz Deutschland auf den Kopf stellen. Da müssen die Kerle schon mit Panzern und Kanonen kommen, um uns loszuwerden. Deutschland wird Eminanim Engin noch kennen lernen! Die wissen nicht, mit wem sie es zu tun kriegen!
    Aber noch müssen wir abwarten, bis die Akte wieder da ist. Wir können nur darin angemessen reagieren, wenn wir wissen, was da schief gelaufen ist. Wir dürfen uns auf gar keinen Fall aus der Bahn werfen lassen. Wir dürfen denen keine Argumente in die Hände spielen. Du gehst jetzt also schön Arbeit suchen. Und nicht wieder schwarzfahren, hast du gehört!«
    »Aber als abgelehnter Asylbewerber gibt mir das Arbeitsamt doch keinen Job!«
    »Dann musst du eben schwarzarbeiten. Geh doch zu
    »Arbeitsamt-Necmeddin«!«
    Ich habe kaum noch Hoffnung, dass unsere Ehe nach so vielen unglücklichen Jahren ein gutes Ende nehmen wird, wie in den Romanen von Rosamunde Pilcher, Barbara Cartland und Karl May.
    Es ist seit 33 Jahren der vergebliche Versuch, zusammen wachsen zu lassen, was nicht zusammen gehört, sozusagen unser 30jähriger Krieg! Mit keinem psychologischen Trick ist meiner Frau beizukommen, damit zu
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