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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi
Autoren: Osman Engin
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Hause endlich Frieden herrscht.
    Nicht mal die drohende Gefahr von außen, nämlich unsere Abschiebung durch Frau Kottzmeyer-Göbelsberg, hat ihr Bemühen, mich ständig fertig zu machen, verändert.

    Mein früher durch Moskau gelenkter Sohn Mehmet - jetzt versucht er Moskau zu lenken - plappert ständig wie ein Roboter: »Gewissenlose Regierungen in aller Welt erfinden einfach eine Bedrohung des eigenen Volkes von außen durch böse ausländische Mächte, um von ihrer eigenen Unfähigkeit abzulenken. Da greift man zum Beispiel sehr gerne auf einen benachbarten Staat zurück, auf eine fremde Religion, auf irgendeinen Staatschef, der kurzfristig seinen Besuch absagt, auf fliegende Untertassen von Mars, Jupiter und Neptun. Mit diesem genialen Trick haben die Regierungen von Griechenland und der Türkei es jahrelang gegenseitig geschafft, die Bevölkerung von ihrem Machthunger und der Korruption abzulenken. Dass sie mit ihrer gespielten Hysterie die beiden Völker nebenbei zu Todfeinden gemacht haben, na ja, das nimmt man dann eben billigend in Kauf. Das nimmt man nicht nur hin, nein, dieser Schwachsinn ist sogar gern gesehen.
    Und wenn das alles nichts hilft, darin hetzt man das Militär wie einen tollwütigen Hund auf die eigenen Bürger. Oder die Militärs machen das von sich aus. Machtbesessene Militärs braucht man in solchen Fällen gar nicht lange zu bitten. Dann wird das Volk von den eigenen Soldaten niedergewalzt. Bei den Völkern entsteht dann regelmäßig so was wie ein
    »Ödipuskomplex«, den man auch als »Kastrationsangst«
    bezeichnet. Insider definieren diese Angst auch als klassisches
    »Schlagstock- in-den-Arsch-Trauma«. Das Militär ist so ziemlich die unsinnigste Erfindung in der Menschheits-geschichte neben dem Mondauto, dem Zölibat, dem Stierkampf, der Atombombe und dem Hulahoop-Reifen. Dieser schwule Männerhaufen ist so überflüssig wie ein eitriger Pickel.«
    Das also spult mein kommunistischer Sohn bei jeder sich bietenden Gelegenheit ab. Den Text kann ich inzwischen fast auswendig.
    Aber nicht mal diese Masche, mit der man sonst ganze Völker einlullen kann, hat bei meiner Frau etwas bewirkt. Oder ist sie gerade deswegen schon immun dagegen?
    Aber es soll auch solche Menschen geben, die sich bei übermächtiger Gefahr von außen mit dem Feind
    zusammenschließen, um so der drohenden eigenen Vernichtung zu entgehen. Aber nein, das kann doch nicht sein, Frau Kottzmeyer-Göbelsberg und Eminanim unter einer Decke?!
    Nein, das kann nicht sein!
    Obwohl sie beide unübersehbare Ähnlichkeiten aufweisen: Beide sind Frauen, beide mögen keine türkischen Männer, beide sehnen sich danach, mich aus ihrem Leben, beziehungsweise aus Deutschland, verschwinden zu lassen, beide tragen BH-Größe 140 Z (Sonderanfertigung), beide arbeiten nicht in Halle 4 (jedenfalls habe ich sie da noch nie gesehen), beide tragen lange, fleischfarbene Baumwollunterhosen (von der einen weiß ich es genau, von der anderen will ich es gar nicht wissen), und beide haben noch nie Urlaub in Kambodscha gemacht. Viel mehr hatten Deutschland und Russland seinerzeit ja auch nicht gemeinsam, als sie Polen von der Landkarte strichen.
    Ich springe so schnell ich kann in die Straßenbahn, damit heute wenigstens mein linkes Bein von ihrer Bösartigkeit verschont bleibt.
    »Zwei Fahrkarten bitte!«
    Der Fahrer schaut sich um und sagt: »Zwei? Warum zwei?«
    »Weil mir gerade eingefallen ist, dass ich heute morgen vor lauter Müdigkeit vergessen habe, meine Fahrkarte abzustempeln. Ich muss eine Strecke schwarzgefahren sein, denke ich mir. Und jetzt will ich zwei Karten dafür abstempeln, um das wieder gut zu machen.«
    »Mein Gott, warum müssen immer in meinen Wagen die ganzen Bekloppten einsteigen«, stöhnt er und reißt zwei Fahrkarten ab.
    »Mein Sohn, wie der große Präsident Kennedy schon sagte: Frage dich nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern frage dich selbst, was du für Deutschland tun kannst! Denn es steht geschrieben, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht deines Nächsten Weib begehren, du sollst nicht lügen, du sollst nicht töten, und du sollst nicht schwarzfahren!« belehre ich ihn.
    »Mann, wo hat man Sie denn aufgesammelt?! In welchem Jahrhundert leben Sie eigentlich? Ich hab’ nicht gedacht, dass so was noch frei rumläuft! Los, nehmen Sie Ihre Karte und gehen Sie! Gehen Sie weit, gehen Sie schnell, aber gehen Sie!« Ich muss überall Spuren von meinem ehrlichen Dasein hinterlassen.
    All diese kleinen
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