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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi
Autoren: Osman Engin
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schon seit Freitag im Mülleimer lag:
    »Sehr geehrter Herr Engin, Ihr Asylantrag wurde leider abgelehnt. Wir fordern Sie deshalb auf, innerhalb von sieben Tagen, bis zum 25. Juni, zwölf Uhr mittags, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland endgültig zu verlassen!«
    Ob der Stasimensch Leckmikowski mir die Sache eingebrockt hat? Ich kann meiner Frau aber nichts sagen, dann wäre die Überraschung mit dem Gemüseladen dahin.
    Stunden später, nach meinem Empfinden kurz vor Feierabend, taucht die erste Beamtin in unserem Flur auf. Sie bahnt sich ihren Weg durch die wartende Menge. Sie schiebt uns mit den Füßen zur Seite und schließt die Tür auf, vor der wir liegen. Mit viel Mühe, gegen eine ausgesprochen starke Konkurrenz, haben wir unsere »Startposition 1« zwei Stunden lang verteidigen können.
    Noch bevor die Beamtin die Tür hinter sich schließen kann, stellt meine Frau ihren Fuß dazwischen.

    »Na gut, wenn ihr so wild darauf seid, dann kommt rein. Nicht mal seinen Kaffee kann man morgens in Ruhe trinken.«
    Ich habe die Beamtin gleich wiedererkannt. Frau KottzmeyerGöbelsberg! Vor vielen Jahren waren wir schon mal bei ihr.
    Damals hieß sie nur Kottzmeyer. Offensichtlich hat sie in den letzten Jahren einen Herren namens Göbelsberg näher kennen gelernt.
    Ich weiß noch, Frau Kottzmeyer hat mich seinerzeit gefragt:
    »Was du wollen?!« Ich wollte die Beamtin damals nicht enttäuschen und stellte mich deshalb rein sprachlich auf ihr Niveau ein. Ich antwortete im besten Tarzan-Deutsch: »Ich Osman Engin, du schicken Brief, ich kommen. Jane und Chita warten draußen vor Tür. Huga, huga!« Heute kann ich mir dieses Tarzan-Deutsch nicht leisten. Ich muss mit ihr anständiges Hochdeutsch reden. Selbst auf die Gefahr hin, dass ich Frau Kottzmeyer-Göbelsberg enttäusche. Aber ich muss ihr klarmachen, dass wir hier bereits seit Jahren leben.
    »Warum sind Sie gekommen?« fragt sie plötzlich. Oh, ihr Deutsch hat sich enorm verbessert! »Sehr geehrte Frau Kottzmeyer-Göbelsberg, mein Name ist Osman Engin. Und dies ist meine Gemahlin, Frau Eminanim Engin. Den Grund, warum wir Sie heute so früh stören, den werde ich Ihnen jetzt erklären.«
    »Sachte, sachte, eins nach dem anderen. Wie heißen Sie noch mal?« stoppt sie mich.
    Schade, ich war so gut in Fahrt.
    »Osman Engin«, antworte ich enttäuscht.
    »Das Mistding hier muss erst mal warm werden«, schimpft sie und schlägt mit der Faust auf den Monitor, »mein Gott, das waren schöne Zeiten, als wir den ganzen Kram noch ordentlich auf Karteikarten hatten!« stöhnt sie laut vor sich hin.
    »Mensch, Osman, das Ding ist ja noch lahmarschiger als du morgens«, lästert meine Frau auf türkisch.

    »So, jetzt geht’s endlich! Also gut, wie heißen Sie noch mal?«
    »Osman Engin! »
    »Os-man En- gin?!«
    »Richtig!«
    »Männlich?«
    »Richtig!«
    »Wohnhaft in Karnickelweg 7b?«
    »Richtig!«
    Verheiratet?«
    »Richtig!«
    »Ihre Frau heißt Eminanim Engin?«
    »Richtig!«
    »Fünf Kinder?«
    »Richtig! Meine mittlere Tochter Zeynep macht zur Zeit Urlaub bei ihrer Tante in der Türkei. »
    Meine Frau lächelt endlich wieder: »Na toll, gleich wird die Verwechslung aufgedeckt!«
    Da sagt Frau Kottzmeyer-Göbelsberg laut: »Abgelehnt!«
    »Abgelehnt, was?« frage ich fassungslos.
    »Ihr Asylantrag wurde abgelehnt!«
    »Das kann nicht sein«, stottere ich, »das stimmt nicht.«
    »So, das stimmt also nicht?! Wenn es euch Brüdern passt, dann sagt ihr immer »richtig«, und wenn es nicht passt, darin heißt es plötzlich »das stimmt nicht«. Wir spielen hier doch nicht »Schiffe versenken«!« ereifert sich Frau KottzmeyerGöbelsberg.
    »Aber ich habe doch gar keinen Antrag auf Asyl gestellt! Wie kann man denn einen Antrag ablehnen, der überhaupt nicht gestellt worden ist? Oder ist für Sie jeder Ausländer ein potentieller Asylbewerber?« versuche ich jetzt den Fall zu klären.

    Die Beamtin rückt ihre Brille zurecht und schaut sich den Monitor ganz genau an: »Also, Osman Engin, verheiratet mit Eminanim Engin, wohnhaft in Karnickelweg 7b, fünf Kinder, und Sie können selbst hier im Computer nachsehen, Ihr Asylantrag ist abgelehnt. Das tut mir schrecklich leid für Sie.
    Aber das sind nun mal Tatsachen, an denen wir nicht vorbeikommen! Ich kann da nichts machen. Es hat schon alles seine Richtigkeit, Sie müssen bis zum 25. Juni, 12 Uhr mittags, Deutschland verlassen haben. Ich kann das leider auch nicht ändern!«
    »Osman, du hast vor kurzem einen Antrag
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