Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi
Autoren: Osman Engin
Vom Netzwerk:
glaube das einfach nicht! Ich bin doch nun wirklich kein Asylbewerber! Sie kennen mich doch schon seit etlichen Jahren. In Ihrer Fabrik habe ich doch mein Brot verdient, von dem Sie auch oft genug gegessen haben. Sie haben doch alle meine Unterlagen, woraus man erkennen kann, dass ich seit 30 Jahren als Gastarbeiter in Deutschland lebe!«
    »Das tut mir schrecklich leid, Herr Engin. Aber ich muss Ihnen kündigen. Ich würde mich sonst strafbar machen.«
    »Diesen Ausländern ist alles recht, um uns übers Ohr zu hauen«, mischt sich von hinten die Sekretärin, die immer noch in der Tür steht, in das Gespräch ein. »Das ist überhaupt nicht wahr«, schreie ich, »ich sag’s Ihnen doch, ich bin kein Asylbewerber. Ich lebe schon seit 30 Jahren in Deutschland. Ich habe sowieso alles, was man hier als Ausländer hat: einen tollen Job, eine schöne Wohnung, eine gute Ehefrau, einen linksradikalen Sohn, jede Menge Schulden und ein besonders attraktives Magengeschwür! Warum in aller Welt sollte ich denn so einen Antrag stellen?!«
    »Wer weiß, warum ihr so was macht! Wir können doch nicht ahnen, was ihr so alles im Schilde führt«, schimpft die alte Sekretärin von Ingenieur Dünnebier.
    »Mein Gott, Sie stellen ja auch nicht ohne Grund hier in Deutschland einen Asylantrag«, sage ich zu der gehässigen Vorzimmerdame.
    »Ich hab’s ja auch gar nicht nötig!«
    »Ich doch genauso wenig! Bisher habe ich doch die gleichen Rechte wie Sie; na ja, sagen wir mal, fast die gleichen Rechte.«
    »Genau, und wegen des kleinen Unterschiedes, deswegen haben Sie den Asylantrag gestellt! »
    »Ich werd’ gleich verrückt! Das ist doch das Idiotischste, was ich je gehört habe! Was hätte ich denn davon gehabt, selbst wenn der Antrag sogar anerkannt worden wäre? »
    »Herr Engin, werden Sie meiner Sekretärin gegenüber nicht ausfällig«, ruft Herr Ingenieur Dünnebier dazwischen, »solange Sie offiziell als Asylbewerber gelten, darf ich Sie hier nicht arbeiten lassen. Es tut mir leid, aber so ist es nun mal in Deutschland. Sie können gern wiederkommen, wenn sich Ihre Situation geklärt hat. »
    »Sie können mich doch nicht einfach entlassen. Ich hab’
    immer fleißig gearbeitet und mich ordentlich aufgeführt!«
    »Doch, wir können Sie vorzeitig entlassen, wegen guter Führung!« ruft die Sekretärin gehässig wie immer.
    Ich koche förmlich vor Wut! Meine Zähne klappern, als hätte man mich bei minus sechzig Grad am Nordpol ausgesetzt. Ich ringe nach Worten, um meine Wut loszuwerden. Es müssen aber solche Schimpfwörter sein, für die man mich nicht belangen kann. Sie müssen so heftig sein, dass mein Magengeschwür nicht noch weiter wächst, aber dann wiederum nicht so schlimm, dass ich später ohne weiteres wieder hier eingestellt werden kann.
    »Ihr... ihr... ihr«, wiederhole ich, aber mir fällt nichts Passendes ein. »Sie Vater von einer Tochter, die nicht genug Taschengeld hat, Sie! Sie Sekretärin, Sie!«
    Die beiden schauen sich völlig verwirrt an. Ich laufe verärgert aus dem Büro und schließe die Tür leise hinter mir. Bei Allah, welch ein Leben, bei dem man sogar bei den Schimpfwörtern faule Kompromisse machen muss.
    Scheeiißeeee!« schreie ich draußen auf dem Hof, wo mich keiner hören kann. Na ja, es befreit trotzdem ein bisschen. Ich gehe in den Umkleideraum von Halle 4. Ich muss noch meinen Spind leer machen.
    Die Kollegen sind alle da und ziehen sich um. Es stinkt, als würden sich hier sechs Fußballmannschaften nach einem Spiel mit Verlängerung gleichzeitig umziehen. Ich versuche, so lange wie möglich die Luft anzuhalten, und stecke meine Arbeitskleidung ganz schnell in die Tasche. Über den Zwanzig-Mark-Schein, den ich in meinem Blaumann finde, freue ich mich besonders. Jetzt darf ich wieder Straßenbahn fahren und muss nicht zu Fuß laufen.
    Der Meister nutzt seine Stellung schon wieder schamlos aus.
    Und erzählt wie immer zu Schichtwechsel einen blöden Witz, mit der absoluten Gewissheit, dass ihn jeder toll finden wird:
    »Kommt’n Mann auf die Reeperbahn und fragt eine Nutte: »Wie viel kostet es bei dir?« »100 Mark, mein Süßer«, sagt die Nutte.
    »Gut«, sagt der Mann, »ich zahle 500, aber ich will dabei schlagen dürfen!« »Das macht nichts«, antwortet die Nutte,
    »wenn du die 500 bar bezahlst, dann kannst du soviel schlagen, wie du willst!« »Aber ich schlage sehr viel«, wiederholt der Mann. »Mach dir nichts draus, bei 500 Mark kannst du solange schlagen, wie es dir Spaß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher