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Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft

Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft

Titel: Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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brandigem pockenkraut und weist weiter auf einen heidnischen zorn, da es saat nicht fressen will und die schneide des pfluges schartig macht. Ihrer zahl sind viele, die diesem land nicht gewachsen, nach sinnlosen versuchen, furchen in den acker zu treiben, in die städte fliehen. Und geflohen in scharen sind sie einst nach europa. Man stelle sich das mal vor: noch heute sprechen sie von der fremde und von christenhunden, und während sie nach ihrem ergriffenen gutdünken reden, bewegt sich ihr arm wie ein gesprungener mahlstein. Sie sagen worte wie: die rechte soll mir abfallen und die zunge mir verdorren, wenn unwahres meinen mund verläßt. Sie sehen aus wie janitscharen in billigen polyesterhemden, sie sind fürchterlich schlecht gekleidet und haben winters gesprungene unterlippen. Sie ernähren sich von teig und fett und haben eine ganz bestimmte art, brotrinde in ungesunde saucen zu tunken. Sie verzeihen ihren söhnen nicht, daß diese über plastikkloschüsseln gebeugt oder unter stromzählern masturbieren, sie lieben ihre söhne als zeuger von dicken enkeln. Auf hochzeiten tragen die frauen schlimme gewänder mit rüschen und langen schleppen wie entenbürzel, und die feierlichen dicken männer betrinken sich und haben kümmel am borstigen bart, der mit wichse gerichtet von kleinen glanzsprenkeln wimmelt. Den hochprozentigen anisschnaps nennen sie löwenmilch und können augenblicklich vor kummer in tränen ausbrechen. Ihre nostalgie ist dumpf, ihr haß wirkt sieben katzenleben lang. Ihr deutsch ist lächerlich, ihr türkisch grob dialekt, ihr vaterland immer noch die ferne türkei, aus der sie mit zwiebelsäcken beladen zurückkehren, als wären in dem ungläubigen land alle reserven aufgebraucht. Sie haben eine erbarmungslose schwäche für kitsch: venezianische gondeln, gipsfigurinen, gestrickte klorollenhütchen, obstschalen aus hartplastik, resedagrüne tischdecken, gebetsteppiche an den wänden, nippes in keksdosengold, gehäkelte armlehnenschoner. Die männer werden nicht müde zu versichern, wie kräftig sie waren in strotzender jugend, und was für ferkel die deutschen sind, weil sie zur intimhygiene toilettenpapier benutzen. Und sie lehnen sich selbstgerecht zurück, sie, die nach der defäkation sich mit der linken hand waschen, und nicht mit der rechten, wie es der prophet geheißen. Sie sind mümmler über gebundenen heiligen büchern, in denen kryptische lettern zum hohelied des zürnenden zusammengebacken wie in stein gemeißelte inschriften anmuten. Die männer hassen es, kerzenwachs schmelzen zu sehen, weil nur hartes währen kann und man sie geheißen hat, daß die ehre auf dem spiel steht und die siebenschlössige unschuld des weibes. Und einige lassen das weib in einem abstand von sieben schritten folgen, die teigwarenmamma, die aufgeblähte honigkuchenmutti, die ihre blößen züchtig bedeckt zum wohlgefallen des mannes. Und sie sagen in schwachen momenten: sieben freuden kenne ich: freundlich gereichtes brot, lammfleisch, kühles wasser, weiche kleider, lieblichen duft, ein bequemes bett und den anblick dessen, was schön ist. Sie sind kinder einer fehlerhaften orthodoxie und sie leben ausgerechnet ohne rechte beteiligung, sie warten auf das mystische zeichen, das ihnen anzeigt, ihre zelte abzubrechen und heimzukehren. Auch dann würden sie, diese alten männer, ein gottseibeiuns murmeln und in schlimmen anzügen schlendern und über den tod grübeln, bis die warme mahlzeit sie heimtreibt.

Glück dauert halt nur ne Runde
Kücük Recai, 19, Junkie
(hat sich soeben die Nadel gegeben)
    Es gibt kein o-komm-mir-not-lindern-gott, keinen blaßrosa himmel, keine blödwauwauende bingo-bingo-engelsschar, keine schmerzpose, die’s trifft, hör mir verdammich zu, nix regen und schnee, was pappt zum eisklumpen, was man dollschmackes wirft, nix bäumeblätteräste und so was, nix dach überm kopp, nix für-mutti-überstunden, stechuhr, bummnapalm und’s schlitzohr geht zu boden unter ner feuertaufewucht, nix nebel und gutwetter, kaffee und tee, sonnern draußen man kämpfen, daß nen typ die eichel scheuert, und schwert blankziehen und feind matschmachen, und dafür klingklongorden kriegn, daß brust schwer wird, gibt nix’s zeugs wie ruhe habn oder eignes dach haben oder armanijacke haben oder stille haben in sonem oberpestigen

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