Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kammerdiener gesucht

Kammerdiener gesucht

Titel: Kammerdiener gesucht
Autoren: Friede Birkner
Vom Netzwerk:
Vormittags zwischen neun und zwölf Uhr.«
    »Das ist ein Ding! Unser Herr Käufer sucht einen Kammerdiener, weil er in einem Schloß wohnt! Emporkömmling, Angeber!«
    »Nicht vorschnell urteilen! Ein Professor dürfte weder ein Emporkömmling noch ein Angeber sein. Erinnere dich an den Bericht von Doktor Schöner, der uns schrieb, es habe sich endlich ein Käufer für Torhaus Gleichen gefunden. Er schilderte den neuen Besitzer als einen sympathischen, ruhigen und schlichten, aber leidenden Mann. Also, warum soll er nicht einen Kammerdiener suchen? Wir kennen das Schloß genau und wissen, daß Personal notwendig ist, wenn man sich dort wohl fühlen soll.« Gertraude hatte sich wieder mit dem Zeitungsblatt beschäftigt und tippte darauf: »Kuno, lies doch auch die zwei folgenden Annoncen!«
    »Je, du siehst ja mit einemmal ganz blaß aus, Mädel?« Kopfschüttelnd nahm Kuno das Blatt wieder in die Hand und las nun die weiteren Annoncen: »Sprachgewandte Sekretärin, besonders in Englisch und Spanisch, perfekt in Schreibmaschine und Lektorenarbeit, dringend gesucht. Beste Unterkunft und Verpflegung zugesichert, Gehalt nach Vereinbarung. Schriftlich oder telefonisch zu melden bei Professor Bergemann, Torhaus Gleichen bei A.« Kuno sah die Schwester an, schnitt eine fürchterliche Grimasse und zuckte die Schultern. »Na, und?«
    »Lies die nächste Annonce, hier, die kleinere.«
    »Du, nun wird es aber unheimlich - was kommt denn noch? Verdammt, nun klappt mir aber der Kinnladen herunter: Zwei männliche reinrassige Dackel gesucht, möglichst schwarz. Angebot an Professor Bergemann, Torhaus Gleichen bei A.« Beeindruckt schauten sich die Geschwister an. Keiner wagte das erste Wort, aber beide wußten, was der andere dachte. »Du - du meinst - du denkst - du hältst das nicht für verdammten Blödsinn?«
    Zögernd antwortete Gertraude dann, ohne ihn anzusehen: »Warum nicht, Kuno? Im lieben alten Torhaus sein -«
    »Das jetzt Herrn Professor Joachim Bergemann gehört.«
    »Wem es jetzt gehört, muß uns gleichgültig sein. Das Schloß wird bewohnt, also wird es gepflegt, die schönen alten Dinge werden erhalten, der Garten, der Wald - Kuno, vielleicht sind Grane und Wotan auch noch dort - und alles im lieben alten Schlößchen-« Langsam rannen Tränen über die schmalen Wangen des Mädchens.
    Kuno hatte sich auf die Couch gesetzt und streichelte seine Hunde. Er sah Gertraude an und fragte leise, zögernd: »Die beiden hier auch -?«
    »Laß uns doch einmal etwas wagen! Verderben können wir in unserem nicht gerade sonnigen Leben doch nichts mehr. Du mußt arbeiten - ich muß es auch. Etwas Gescheites haben wir beide nicht gelernt, außer daß du ein vorzüglicher Landwirt und Schloßbesitzer in allen Konsequenzen warst und ich eine leidlich gute Hausfrau in eben diesem Schloß. Ich hatte alles Geschäftliche und die Buchführung unter mir und kann ausgezeichnet tippen, und Sprachen waren immer mein Hobby. Das alles allerdings verhinderte leider nicht, daß wir uns vom Torhaus Gleichen trennen mußten.«
    »Verdammte Schweinerei, das Ganze!«
    »Kuno - bitte nicht so. Es hat doch keinen Zweck mehr. Geschehenes ist geschehen, und - nun ja, Vater hat versucht zu büßen, was er getan hat. Aber sein Tod konnte uns und dem Torhaus Gleichen nicht mehr helfen.«
    »Verstehst du denn nur, warum er das tun konnte? Ich kann es heute nach fast drei Jahren noch immer nicht begreifen. Spielt in sämtlichen Spielbanken des Kontinents - verliert - verliert und schießt sich dann in völliger Verzweiflung eine Kugel durch den Kopf.« Die Geschwister hockten dicht nebeneinander auf der
    Couch, und beide streichelten gedankenverloren Castor und Pollux.
    »Sinnlos, das Ganze!« knurrte Kuno. »Hätte Vater Jahre früher Vernunft angenommen, wäre Torhaus Gleichen noch zu retten gewesen. Aber was blieb uns übrig? Vaters Schulden durch den Verkauf zu decken und zu versuchen, endlich mal wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Du verdienst wenigstens schon etwas, aber bei mir will es eben nicht hinhauen. Von Pferden, Mist, Gartenbau und so weiter versteh' ich 'ne Menge -aber damit kann man sich halt in einer Großstadt nicht ernähren. Ich weiß, wie man sich zu benehmen hat, spreche englisch besser als deutsch und kann selbst den ältesten Karren chauffieren -«
    »Eben«, sagte Gertraude mit einem zaghaften Lächeln und deutete wieder auf die drei Annoncen.
    »Du meinst also, ich soll - so schlichtweg Kammerdiener bei diesem Professor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher