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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut
Autoren: Andreas Franz
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meinen«, antwortete das Mädchen, dessen Scheu von Sekunde zu Sekunde schwand, auch wenn die Frage sie ein wenig irritierte.
    »Nun, ich empfinde es als eine Art Macht. Es ist die Macht über ein Wesen, das eigentlich viel stärker und scheinbar mächtiger ist als ich. Und doch gehorcht es mir. Und weißt du auch, warum das so ist? Ich habe lange gebraucht, um es herauszubekommen, aber schließlich habe ich eine Antwort darauf gefunden. Es gehorcht, weil es spürt, dass ich ihm nichts Böses will. Mein Pferd und ich haben eine sehr innige Verbindung. Es ist ein seltsames, prickelndes Gefühl, wenn ich auf seinem Rücken sitze. Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Kennst du das auch?«
    Sie streichelte etwas fester über die Hand des Mädchens, das den Blick der Frau diesmal länger erwiderte. Sie waren noch immer allein mit dem Pärchen, das am andern Ende des Raumes saß, und dem Kellner, der ab und zu einen Blick auf die Frau und das Mädchen warf, während er ein paar Gläser wienerte für die Gäste, die in spätestens einer halben Stunde wie fast jeden Abend nach und nach einkehren würden. Die meisten von ihnen waren Mitglieder des Reitclubs, die Crème de la Crème nicht nur der Hattersheimer High Society, allerdings zu einem großen Teil Frauen, die nur manchmal ihre Männer mitbrachten, auch wenn einige Männer regelmäßig hier verkehrten.
    »Was für ein Gefühl meinen Sie?«, fragte das Mädchen.
    »Ach, lassen wir das jetzt, kommen wir zu etwas anderem. Miriam, ich würde dich gerne als Mitglied in unserem Verein begrüßen.«
    »Aber …«
    »Kein Aber. Ich kenne dich und deine Mutter schon seit etlichen Jahren, und ich habe mich wirklich gefreut, als du vor ein paar Wochen zum ersten Mal zu uns kamst. Um es kurz zu machen, wir haben einen Fonds extra für junge Leute wie dich. Sagen wir, für einen Monatsbeitrag von sechs Euro kannst du Mitglied werden.«
    »Sechs Euro?«, fragte das Mädchen mit ungläubigem Blick ganz aufgeregt.
    »Ich sagte doch, wir haben einen speziellen Fonds. Natürlich brauchst du auch das entsprechende Outfit, das ist doch wohl klar …«
    »Das Geld dafür hab ich aber nicht«, erklärte das Mädchen mit gedämpfter Stimme.
    »Hab ich gesagt, dass du oder deine Mutter die Kleidung bezahlen muss?«, entgegnete die Frau mit einschmeichelnder Stimme und streichelte wieder zärtlich über die Hand des Mädchens. »Natürlich ist auch die Kleidung im Fonds enthalten. Irgendwann, wenn du genug Geld verdienst, kannst du es machen wie schon einige andere vor dir und etwas in den Fondstopf werfen. Was hältst du davon?«
    »Aber die Sachen sind sauteuer! … Entschuldigung«, fügte sie verschämt lächelnd hinzu.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich finde auch, dass die Sachen sauteuer sind«, sagte die Frau und lachte auf.
    »Aber allein die Stiefel …«
    »Mach dir keine Gedanken mehr wegen des Geldes, okay? Ich kümmere mich drum. Wenn du möchtest, gehen wir noch diese Woche einkaufen. Dann bist du auch gerüstet für Frankreich«, sagte die Frau mit unergründlichem Lächeln.
    Das Mädchen schaute die Frau fragend an. »Frankreich? Wieso Frankreich?«
    »Hast du mir vorhin nicht gesagt, dass du in den Ferien nichts weiter vorhast? Also, pass auf, einige Mitglieder des Clubs veranstalten vom 27. Juni bis 7. Juli eine Fahrt nach Südfrankreich. Selina und Nathalie sind übrigens auch dabei, ob Katrin mitkommt, weiß ich noch nicht genau, aber es sieht ganz gut aus. Unter anderem bereisen wir die Camargue, wo es mit die schönsten Pferde überhaupt gibt. Wild und ungezügelt und voller Lebensfreude, man muss sie einfach einmal gesehen haben. Es sind auch ganz bestimmt alle einverstanden, dass du mitfährst. Aber natürlichmuss ich erst mit dir darüber reden, ob du überhaupt willst. Willst du? Wir werden dort auch sehr viel reiten. Und das Schönste ist, die Landschaft ist noch ziemlich unberührt. Also, was ist, willst du?«
    »Natürlich, aber …«
    »Du sagst immer aber. Nimm doch einfach mal die Dinge so, wie sie dir gegeben werden. Wer weiß, wann du mal wieder ein solches Angebot bekommst.«
    »Ich muss trotzdem mit meiner Mutter sprechen.«
    »Sie wird nichts dagegen haben. Und sollte es Probleme geben, sag mir Bescheid, ich rede dann mit ihr. Ich denke dennoch, dass du es allein schaffst, sie zu überzeugen. Es ist eine einmalige Chance.«
    »Warum tun Sie das alles?«, fragte das Mädchen.
    »Warum tut man überhaupt etwas? Ich mag dich und schätze
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