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Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)

Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Quentin Bates
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noch warm, als wir ankamen.«
    Der einzige Rechtsmediziner der Polizei war längerfristig beurlaubt, und der Posten war mit einer Reihe von Vertretungen besetzt worden, die jeweils für ein halbes Jahr im Ausland rekrutiert worden waren. Die jüngste Vertretung war eine Spanierin mit einem komplizierten Doppelnamen. Sie war die Nachfolgerin eines groß gewachsenen Iren. Die neuen Kollegen hatten die Spanierin sofort Miss Cruz getauft.
    »Also kann sie höchstens ein oder zwei Stunden tot gewesen sein«, überlegte Gunna. »Wer hat Alarm geschlagen?«
    »Die Reinigungsdame. Weil der Aufzug kaputt ist, hat sie die Treppen genommen. Die Wohnungstür stand offen«, antwortete Helgi.
    »Offen? Also hat der Mörder es ziemlich eilig gehabt und sich nicht viel Zeit genommen, seine Spuren zu beseitigen. Hast du den Aufzug überprüft?«
    »Er steckt zwischen der dritten und vierten Etage fest. Schon seit einer Woche, sagt der Wartungsdienst.«
    »Die Wohnung ist im obersten Stockwerk. Niemand steigt ohne Grund die Treppen hoch. Was ist mit der Nachbarwohnung?«
    »Da ist niemand zu Hause. Kein Lebenszeichen.«
    Helgi stand auf und streckte sich.
    »Nun, wer immer dort wohnt, wird ganz schön überrascht sein, wenn er von der Arbeit zurückkehrt. Wie geht’s weiter, Gunna?«
    Einen Moment lang wunderte sie sich, warum Helgi ausgerechnet ihr diese Frage stellte. Sie würde noch eine Weile brauchen, bis sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte, Leiterin eines neu gegründeten Ermittlungsteams zu sein. Bisher hatte sie jahrelang ein Polizeirevier auf dem Land geleitet, in Hvalvík, wo oft wochenlang nichts Schlimmeres als ein gelegentlicher Fahrraddiebstahl passierte. Das Angebot für eine Beförderung und der damit verbundene Wechsel zur Polizei von Reykjavík waren überraschend gekommen, und sie musste sich erst daran gewöhnen, in einer großen Dienststelle mit vielen Mitarbeitern zu arbeiten. Zwar hatte Gunna in der Vergangenheit schon einmal eine Zeitlang in Reykjavík gelebt und kannte die Stadt gut, fühlte sich aber trotzdem nicht ganz wohl dort. Vieles hatte sich in den Jahren verändert, in denen sie in ihrem Provinznest eine ruhige Kugel geschoben hatte. Der Rhythmus des Lebens in der Stadt hatte sich immer mehr beschleunigt, bis es schließlich zur großen Krise gekommen war. Die Banken wurden verstaatlicht, und das Land versank in einer Rezession. Die wirtschaftliche Weiterentwicklung kam völlig zum Stillstand.
    Sie hatte das neue Büro des Dezernats für Gewaltverbrechen bezogen, als die Proteste vor dem Parlament zunehmend wütender wurden. Sie musste mit ansehen, wie ihre uniformierten Kollegen jedes Wochenende bei den Demonstrationen den Zorn der Öffentlichkeit zu spüren bekamen, obwohl viele von ihnen insgeheim Sympathie für die Demonstranten und ihre ohnmächtige Wut empfanden.
    Gunna hatte es glattweg abgelehnt, von Hvalvík wegzuziehen. Die vierzigminütige Fahrt jeden Morgen stellte eine Herausforderung dar, aber die Heimfahrt war für sie zu einer Oase wertvoller Zeit zum Nachdenken geworden.
    »Gunna?«, wiederholte Helgi.
    »Tut mir leid. Ich war in Gedanken. Wenn du herausfinden könntest, was die Dame in den letzten Tagen gemacht hat und wo sie sich aufgehalten hat, kümmere ich mich um die nächsten Angehörigen.«
    »Das geht in Ordnung. Du weißt, dass wir uns auch noch um den langen Ommi kümmern müssen.«
    »Ja, gut. Eiríkur müsste in einer halben Stunde eintreffen, und am besten setzt du ihn gleich ins Bild, damit er alle Informationen, die sich aus der Befragung der Nachbarn ergeben, sammeln und auswerten kann. Sicher wird der Junge mit einer Theorie aufwarten, von der er in einem Buch gelesen hat«, sagte Gunna. »Die Gerichtsmedizin wird uns bald mitteilen, was sie herausgefunden hat, aber vermutlich wissen wir das Wichtigste schon. Gewaltanwendung mit einem stumpfen Gegenstand, ein einziger Schlag gegen den Kopf, mit dem Ziel zu töten.«
    »Hast du schon eine Idee?«, fragte Helgi hoffnungsvoll.
    »Das wollte ich dich auch gerade fragen«, seufzte Gunna. »Oberflächlich betrachtet wirkt das Ganze ziemlich einfach. Wenn jemand auf diese Weise tötet, handelt es sich entweder um einen Junkie, der nicht weiß, was er tut, oder es ist Geld oder blinde Wut im Spiel. Svana Geirs könnte jemanden sehr wütend gemacht haben, oder sie hat ihn abgezockt.«
    »Was ist mit Eifersucht?«
    »Sicherlich auch eine Möglichkeit. Wir sollten auf jeden Fall herausfinden, mit wem sie gevögelt hat. Ich
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