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Kalter Tod

Kalter Tod

Titel: Kalter Tod
Autoren: Michael Connelly
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könnte ihnen zumindest etwas über das erzählen, was passiert war. Er wusste, es war von entscheidender Bedeutung, sie so bald wie möglich zum Sprechen zu bringen.
    Die Frau kam mit einem lauten Stöhnen zu sich.
    »Mrs. Kent, es ist alles gut«, sagte Walling. »Es ist alles gut. Sie sind in Sicherheit.«
    Die Frau verkrampfte sich und bekam große Augen, als sie die zwei Fremden sah. Walling hielt ihren Ausweis hoch.
    »FBI, Mrs. Kent. Erinnern Sie sich noch an mich?«
    »Was? Was ist – wo ist mein Mann?«
    Sie begann, sich aufzurichten, merkte dann aber, dass sie unter der Bettdecke nackt war, und versuchte, sie um sich zu ziehen. Offensichtlich waren ihre Finger noch taub und konnten nicht zupacken.
    Walling half ihr bereitwillig, die Bettdecke hochzuziehen.
    »Wo ist Stanley?«
    Walling kniete am Fußende des Betts nieder, sodass sie auf gleicher Höhe mit Mrs. Kent war. Sie blickte zu Bosch auf, als suchte sie seinen Rat, wie sie auf die Frage reagieren sollte.
    »Mrs. Kent, Ihr Mann ist nicht hier«, sagte Bosch. »Ich bin Detective Bosch vom LAPD, und das ist Agent Walling vom FBI. Wir versuchen gerade herauszufinden, was mit Ihrem Mann passiert ist.«
    Die Frau blickte zu Bosch auf und dann zu Walling, und ihr Blick blieb auf der FBI-Agentin haften.
    »Ich erinnere mich an Sie«, sagte sie. »Sie waren bei uns, um uns zu warnen. Ist es das, was passiert ist? Haben die Männer, die hier waren, Stanley in ihre Gewalt gebracht?«
    Rachel beugte sich zu ihr vor und sprach mit beruhigender Stimme.
    »Mrs. Kent, wir – Alicia, nicht? Alicia, beruhigen Sie sich erst einmal ein bisschen, damit wir reden und Ihnen möglicherweise helfen können. Möchten Sie sich vielleicht anziehen?«
    Alicia Kent nickte.
    »Gut, dann lassen wir Sie erst mal allein«, sagte Walling. »Sie ziehen sich an, und wir warten solange im Wohnzimmer. Doch erst lassen Sie mich noch fragen: Sind Sie in irgendeiner Weise verletzt?«
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Sind Sie auch nicht …?«
    Walling sprach nicht zu Ende, so, als wäre ihr die Frage peinlich. Bosch war sie es nicht. Ihm war klar, sie mussten genau wissen, was passiert war.
    »Mrs. Kent, wurden Sie heute Abend sexuell genötigt?«
    Die Frau schüttelte wieder den Kopf.
    »Sie zwangen mich, mich auszuziehen. Aber mehr nicht.«
    Bosch beobachtete ihre Augen in der Hoffnung, in ihnen lesen und erkennen zu können, ob sie ihm etwas vormachte.
    »Okay«, unterbrach Walling. »Wir gehen jetzt erst mal, damit Sie sich anziehen können. Wenn die Rettungssanitäter kommen, sollen sie Sie auf jeden Fall auf Verletzungen hin untersuchen.«
    »Mir fehlt nichts«, sagte Alicia Kent. »Was ist mit meinem Mann?«
    »Wir wissen nicht genau, was passiert ist«, sagte Bosch. »Ziehen Sie sich erst mal an und kommen dann ins Wohnzimmer, dann erzählen wir Ihnen, was wir wissen.«
    Die Bettdecke um ihren Körper klammernd, stand sie vorsichtig auf. Bosch sah den Flecken auf der Matratze und wusste, dass Alicia Kent während ihres Martyriums entweder vor Angst uriniert hatte oder zu lange auf Hilfe hatte warten müssen.
    Schon beim ersten kleinen Schritt, den sie in Richtung Schrank machte, geriet Mrs. Kent ins Straucheln. Bosch bekam sie zu fassen, bevor sie hinfiel.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja, ja, alles okay. Mir ist nur ein bisschen schwindlig. Wie spät ist es?«
    Bosch schaute auf den Digitalwecker auf dem rechten Nachttisch, aber das Display war leer. Er war entweder ausgeschaltet oder ausgesteckt. Ohne Alicia Kent loszulassen, drehte Bosch sein rechtes Handgelenk und sah auf seine Armbanduhr.
    »Fast ein Uhr.«
    Ihr Körper schien sich unter seinem Griff zu verkrampfen.
    »O mein Gott!«, stieß sie hervor. »So spät schon – wo ist Stanley?«
    Bosch führte seine Hände an ihre Schultern hoch und half ihr, aufrecht zu stehen.
    »Ziehen Sie sich erst mal an, dann können wir darüber reden«, sagte er.
    Sie ging auf wackligen Beinen zum Schrank und öffnete die Tür, an deren Außenseite ein Spiegel angebracht war. In dem Moment, in dem sie aufging und Bosch sein Spiegelbild entgegenschwang, bildete er sich ein, etwas Neues in seinen Augen zu sehen. Etwas, das noch nicht da gewesen war, als er beim Verlassen seines Hauses einen Blick in den Spiegel geworfen hatte. Ein Ausdruck der Beklemmung, ja vielleicht sogar der Angst vor dem Unbekannten. Das war verständlich, fand er. Er hatte schon tausend Mordfälle bearbeitet, aber noch keiner hatte ihn in die Richtung geführt, in
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