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Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist
Autoren: Astrid Lindgren
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Hoffnung, daß es Eva-Lotte drinnen hören würde. Das tat sie auch. Sie kam heraus. Aber zwei Schritte hinter ihr kam Onkel Einar.
    »Darf der kleine artige Junge hier auch mitspielen?« fragte er.
    Anders und Kalle schauten ihn etwas verlegen an.
    »Ausreißer und Einfänger zum Beispiel«, wieherte Onkel Einar. »Ich will am liebsten Ausreißer sein.«
    »Ph!« machte Eva-Lotte.
    »Oder wollen wir zur Schloßruine gehen?« schlug Onkel Einar vor. »Die ist wohl immer noch da?«
    Natürlich war die Schloßruine noch da. Das war ja die größte Sehenswürdigkeit der Stadt, die alle Touristen sich ansahen, sogar noch bevor sie die Deckenmalereien in der Kirche gesehen hatten. Wenn auch natürlich nicht so viele Touristen kamen. Die Ruine lag auf einer Höhe und schaute auf die kleine Stadt hinunter. Ein mächtiger Herr hatte einmal in früheren Zeiten dieses Schloß gebaut, und nach und nach war in dessen Nähe eine Stadt entstanden. Die kleine Stadt blühte und gedieh, aber von dem früheren Schloß war nur noch eine schöne Ruine übrig.
    Kalle und Anders und Eva-Lotte hatten nichts dagegen, zur Ruine zu gehen. Sie war einer ihrer liebsten Aufenthaltsorte.
    Man konnte in den alten Sälen Versteck spielen oder auch die Burg gegen anstürmende Feinde verteidigen.
    Onkel Einar ging rasch den steilen Weg hinauf, der sich zur Ruine hinschlängelte. Kalle, Anders und Eva-Lotte trabten hinterher. Sie warfen sich hin und wieder verstohlene Blicke zu und blinzelten vielsagend.
    »Ich hätte Lust, ihm eine Klapper zu geben, dann könnte er irgendwo für sich allein sitzen und damit spielen«, flüsterte Anders.
    »Und du glaubst, daß er das tun würde«, sagte Kalle. »Nee, du, wenn erwachsene Leute sich vornehmen, mit Kindern zu spielen, dann kann nichts sie daran hindern, merk dir das!«

    »Sie sind vergnügungssüchtig, das ist das Ganze«, entschied Eva-Lotte. »Aber da er Mutters Vetter ist, müssen wir wohl versuchen, ein bißchen mit ihm zu spielen, sonst wird er bloß ärgerlich.« Eva-Lotte kicherte vergnügt.
    »Aber das wird langweilig werden, wenn er furchtbar lange Ferien hat«, sagte Anders.
    »Ach, er reist sicher bald ins Ausland«, meinte Eva-Lotte.
    »Du hast ja gehört, was er gesagt hat – in diesem Land hier kann man es nicht aushalten.«
    »Ja, ich für meinen Teil werde ihm keine Träne nachwei-nen«, sagte Kalle.
    Es blühte in dichten Büschen rings um die ganze Ruine. Die Hummeln summten. Die Luft zitterte in der Wärme. Aber drinnen in der Ruine war es kühl. Onkel Einar blickte sich zufrieden um.
    »Schade, daß man nicht runter in das Kellergeschoß gehen kann«, sagte Anders.
    »Warum kann man das nicht?« fragte Onkel Einar.
    »Nee, sie haben eine dicke Tür davorgesetzt«, sagte Kalle.
    »Und die ist verschlossen. Da sind sicher viele Gänge und Kellerlöcher unten, und es ist kalt und feucht, und da wollen sie nicht, daß man runtergeht. Der Bürgermeister hat sicher den Schlüssel.«
    »Früher sind die Leute da unten hingefallen und haben sich die Beine gebrochen«, sagte Anders. »Und ein Kind hätte sich beinahe verlaufen, so daß jetzt niemand mehr runter darf. Aber das ist verdammt schade.«
    »Wollt ihr gern runtergehen?« fragte Onkel Einar. »Das lie-
    ße sich vielleicht machen.«
    »Wie soll denn das zugehen?« fragte Eva-Lotte.
    »So!« sagte Onkel Einar und zog einen kleinen Gegenstand aus der Tasche. Er beschäftigte sich eine Weile mit dem Schloß, und gleich danach schwang die Tür knirschend in ihren Angeln.
    Die Kinder starrten voll Erstaunen abwechselnd Onkel Einar und die Tür an. Das war ja die reine Zauberei.
    »Wie hast du das gemacht, Onkel Einar? Darf ich mal sehen?« fragte Kalle eifrig.
    Onkel Einar hielt den kleinen Metallgegenstand hin.
    »Ist das – ist das ein Dietrich?« fragte Kalle.
    »Richtig geraten«, sagte Onkel Einar.
    Kalle war überglücklich. Er hatte so oft von Dietrichen gelesen, aber er hatte nie einen gesehen.
    »Darf ich den mal haben?« fragte er.
    Er bekam ihn, und er fühlte, daß dies ein großer Augenblick in seinem Leben war. Dann kam ihm ein Gedanke. Nach dem, was er gelesen hatte, waren es meist dunkle Gestalten, die Dietriche besaßen. Das erforderte eine Erklärung.
    »Warum hast du einen Dietrich, Onkel Einar?« fragte er.
    »Weil ich geschlossene Türen nicht liebe«, sagte Onkel Einar kurz.
    »Wollen wir nicht runtergehen?« fragte Eva-Lotte. »Ein Dietrich ist ja nicht die Welt«, fügte sie hinzu, als ob sie niemals etwas
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