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Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit

Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit

Titel: Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit
Autoren: Laura Feuerland
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zerrissen, die Weste aus Fuchsfell wies Brandlöcher auf. Das Stirnband, das Oni ihm einst geflochten hatte, hatte er längst verloren, ebenso den muschelgeschmückten Gürtel, ein Geschenk seiner Schwester Rina. Aus dem einst mächtigen Clanführer war ein heruntergekommener Flüchtling geworden. Und wenn er der Toten nun noch das Clanamulett mit ins Grab gab, blieb ihm nur das Band aus Falkenfedern an seinem Oberarm, das darauf verwies, dass sein Schutztier der Falke war. Doch das zählte nicht viel. Wichtiger war der Clan, dem einer angehörte; von dessen Größe und Stärke hing das Ansehen eines Mannes ab. Ein Mann ohne Clan wurde als Ausgestoßener betrachtet. Jeder Fremde musste annehmen, dass seine Sippe ihn wegen eines schweren Vergehens verjagt hatte oder dass er seinen schützenden Clangeist derart erzürnt hatte, dass er von ihm verlassen worden war. Ein solcher Mann hatte keinerlei Rechte, man schuldete ihm keinen Respekt und schon gar nicht gab man ihm die Tochter oder Schwester zur Gefährtin. Und auch keine andere Frau, die auf sich hielt, würde ihn aufnehmen und zum Hüter ihres Heims erwählen.
    Es raschelte. Mauk wandte sich um und sah geradenoch die Schwanzspitze eines Marders im Gebüsch verschwinden. Langsam ging er auf das Gestrüpp zu und schob die Äste zur Seite. Überrascht hielt er inne. Direkt vor ihm lag eine halbhohe schwarze Felsöffnung. Mauk suchte den Boden nach Spuren ab. Man musste vorsichtig sein, denn Höhlen wurden oft von Tieren bewohnt. Doch hier schlug ihm fauliger Geruch entgegen, eine Mischung aus scharfen Tiergerüchen, Erde und Verwesung.
    Mauk trat zurück und wandte sich um.
    »Atlin!«, rief er. »Komm her und bring die Lampe mit und einen Ast!«
    Atlin holte einen Stock aus der kalten Asche und ergriff dann die Lampe. Sie bestand aus einem flachen ausgehöhlten Stein, der zur Hälfte mit Tierfett gefüllt war.
    »Da scheint eine Höhle zu sein«, sagte Mauk. Er nahm Stock und Lampe, griff in seine Gürteltasche und holte ein paar getrocknete Pilzkrümel heraus. Dann nahm er einen Flintstein und einen zweiten, glitzernden Stein und stieß die Steine gegeneinander, bis Funken aufsprühten. Sie entzündeten sich an dem Zunderpilz, und mithilfe eines dürren Zweiges transportierte Mauk die kleine Flamme in die fettgetränkte Steinlampe. Auf ihrem Boden lagen kleine Moosfasern, die das Feuer sofort aufnahmen.
    Wortlos reichte Mauk dem Bruder die Lampe. Dann holte er aus seiner Tasche einen Harzbrocken und band ihn mit einer Lederschnur am Stockende fest. Das Harzstück entzündete er am Feuer der Steinlampe und erhielt so eine Fackel.
    Im flackernden Schein der beiden Lichter betraten die Brüder den dunklen Gang. Er war gerade so hoch, dass sie aufrecht darin stehen konnten. Mauk ließ Atlin vorangehen. Er wusste, dass sich dessen Augen sehr rasch andie Dunkelheit gewöhnten. Er selbst brauchte wesentlich länger, um sich zurechtzufinden.

    »Da!« Atlin war stehen geblieben und deutete auf die Wand, wo ein Gewirr von Linien, Punkten und Gittern eingeritzt war. Dann schwenkte er die Lampe langsam weiter, bis das Licht auf ein rennendes Pferd fiel. Es hatte keinen Kopf und wandte sich mit leerem Hals einem Steinbock zu, der einen Pferdekopf in seiner Brust trug. Rechts davon stand ein Bison, über seinen Kopf sprangen zwei Rentiere. Um die Tiergruppe herum liefen vier weitere kopflose Pferde, nach verschiedenen Seiten gewandt. Manche Tiere berührten oder überdeckten sich, etliche waren mit Ockerund Asche bestäubt. Mauk sah, dass Atlin sich auf die Unterlippe biss, ein Zeichen, dass er sehr konzentriert war.
    »Was ist los?«
    Atlin schloss die Augen.
    »Es hat einmal ein roter Pferdeclan hier gelebt«, sagte er schließlich, öffnete die Augen wieder und starrte die Bilder so eindringlich an, als versuchte er in sie einzutauchen. Mauk verstand nicht, wie und was genau Atlin in den Zeichen und Bildern las, doch zweifelte er keinen Augenblick an seinen Worten. Atlin war ein Seher, und wie alle Seher stand er unter dem Schutzgeist des mächtigen Höhlenbären. Schon als Kind hatte er die meiste Zeit inHöhlen verbracht und war von mehreren Clansehern unterrichtet worden. Sie hatten ihn gelehrt, geheime Zeichen zu lesen, mit den Geistern zu sprechen und ihre Antworten zu verstehen. Mauk hatte den Bruder nur selten zu Gesicht bekommen, denn der lebte sein eigenes Leben: Wenn die Vögel ihr Morgenlied sangen, ging er schlafen; und wenn abends die Eule rief, stand er auf und
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