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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
Autoren: Grafit
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Million, Begünstigte ist seine Frau. Die Prämien hat er immer pünktlich bezahlt, obwohl er sonst überall Schulden hatte.«
    Weitere Aufklärung erwartete sich Werner Albrecht von der Frau des Opfers, Maria Kraic, die am Nachmittag zu ihm ins Büro kam. Kommissar Albrecht bot ihr einen Stuhl an, sprach sein Beileid aus, kam aber dann sofort zur Sache.
    »Also, Frau Kraic, können Sie mir etwas über Ihren Mann erzählen? Was war er für ein Mensch?«
    Die Frau sah betreten auf den Boden. Sie war blass und versuchte, sich zu konzentrieren. »Als wir uns kennenlernten«, begann sie zögerlich, »da war alles so voll Optimismus. Er hatte eine wirklich schöne Stimme, sah gut aus und hatte schon Verbindungen zu den großen Opernhäusern.« Sie blickte den Kommissar verschüchtert an. »Er hatte Engagements, verdiente gutes Geld und wir malten uns eine tolle Zukunft aus. Aber dann kam der Moment, der viele Sänger in eine schlimme Situation gebracht hat. Sie gestatten doch, dass ich etwas aushole?«
    »Reden sie sich nur alles von der Seele.«
    »Nun, Ivo wurde älter, seine Stimme war nicht mehr so brillant wie früher. Und aus dem Osten kamen so viele neue, junge Sänger. Außerdem erhielten die Theater von der Politik immer weniger Geld und Ivo bekam fast kein Festengagement mehr, sondern wurde immer nur als Gast engagiert. Er saß also nur noch herum und unser Zusammenleben wurde mit jedem Tag unerträglicher. Natürlich litten auch die Kinder darunter. Eines Tages mussten wir sogar Hartz IV beantragen. Er bekam immer öfter richtige Wutanfälle. Er schrie und weinte und beschuldigte die ganze Welt. Ich nahm eine Putzstelle an und konnte die Kinder und mich so einigermaßen durchbringen.« Tränen rannen ihr jetzt über die Wangen.
    »Mein Gott«, sagte sie schluchzend, »die Situation war einfach unerträglich.«
    Der Kommissar suchte ein Papiertaschentuch aus seiner Tasche und reichte es ihr. »Aber jetzt hatte er doch die Partie des Siegfried am Hagener Theater? Das ist doch was.« Er sah sie fragend an.
    »Ja, ein Glücksfall. Er hatte schon die letzten zwei Jahre versucht, ins Heldenfach hineinzukommen. Da gibt’s ja nur wenige, die das können. Aber das, was er jetzt verdiente, konnte ihn natürlich nicht aus seinen Schulden herausreißen. Vielleicht, wenn er noch mehr Zeit gehabt hätte …«
    22. Dezember
    Für den nächsten Tag hatte Kommissar Albrecht einen Lokaltermin auf der Bühne des Hagener Theaters anberaumt. Der Intendant führte ihn im ersten Stock durch lange Gänge, an endlosen Kleiderständern mit wunderschön bestickten Kostümen in allen Farben vorbei. Erträumte Bühnenträume. Die Garderoben lagen genau gegenüber der Tür, die auf die Bühne führte.
    Auf der Bühne standen schon alle Sänger bereit und warteten. Die Mannen , die von Chorsängern dargestellt wurden, Ludwig Bäumer, der Sänger des Hagen, und schließlich der Oberspielleiter, der bei der Rekonstruktion die Rolle von Ivo Kraic alias Siegfried spielen sollte. Albrecht blickte noch einmal über die ganze Bühne und nickte dann dem Oberspielleiter zu.
    »Also, alle auf eure Plätze«, rief der Oberspielleiter übertrieben laut.
    Die Mannen stellten sich auf der Hinterbühne auf. Als der Sänger des Hagen am Kommissar vorbeiging, gab er ihm zitternd die Hand. Er sah blass und übermüdet aus.
    »Ich kann überhaupt nicht mehr schlafen. Warum hätte ich meinem Kollegen etwas Schlimmes antun sollen? Ich habe doch gar keinen Grund dazu.«
    »Es wird sich schon alles finden«, lächelte Werner Albrecht.
    »Wir schalten jetzt die Originalbeleuchtung der Szene ein«, erklärte der Oberspielleiter. »Beleuchtung!«, rief er, »Beleuchtung, macht doch mal die einundzwanzig«.
    Albrecht verstand gar nichts.
    »Das ist die Lichtnummer im Computer«, erklärte der Oberspielleiter. »Die Beleuchtung ist genau programmiert und man braucht nur auf den Knopf zu drücken.«
    Langsam wurde es dunkler, die mystische Götterdämmerungs- Atmosphäre stellte sich ein. »So«, hörte Albrecht den Oberspielleiter rufen, »und jetzt bitte die Musik dazu.«
    Im Orchestergraben setzte der Pianist mit dem Klavierauszug der Szene ein. Albrecht sah Hagen nicht, hörte aber, dass Viktor Bäumer tatsächlich versuchte, seine Sätze zu singen, wobei ihm fast die Stimme versagte. Dann trat er hinter Siegfried, hob den Speer und stieß zu. Zumindest ahnte Albrecht den Stoß, der dieses Mal aber mit einer Pappmascheerequisite geführt wurde. »Sicher ist
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