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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt
Autoren: Werner Schrader
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solche Geschicklichkeit dabei, den Ausguckmann Heini Brackwede in die Hängematte zu befördern, daß alle Leicht- und Vollmatrosen staunten. Wolf gang Lofing übte nicht nur Lesen und Schreiben mit Rudi Turka, Joachim Pinkel und Trinchen Hoffmann, sondern versorgte auch die ganz Kleinen, indem er mit ihnen auf dem Hof Reigenspiele und Purzelbaumschießen machte. Lutz Lehmann entwickelte sich zu einem wahren Rechenmeister. Den Kindern glühten die Ohren, wenn sie seinen langen Rechenketten folgen mußten oder wenn er an der Tafel stand und verwirrende Textaufgaben mit bunter Kreide in einfache Rechenoperationen wie Malnehmen, Teilen, Zusammenzählen und Abziehen zerlegte. Adam Riese hätte seine Freude daran gehabt.
    Am glücklichsten aber war zweifellos Heini Brackwede, der oben in seiner Hängematte lag, wieder zur Klasse gehörte und teilnahm an allem, was dort geschah. Er gab den Kindern Diktate, korrigierte und besprach sie von seinem Krähennest aus, öffnete ihnen Augen und Ohren für Form und Inhalt ihrer Aufsätze und wurde von allen geachtet als einer, der etwas versteht. Er merkte, daß er wieder ein Glied dieser Gemeinschaft geworden war, auf das man nicht verzichten konnte, obwohl er nicht einen Schritt zu gehen fähig war. Das gab ihm die Kraft, sein Leiden anzunehmen. Auch seine Eltern fühlten sich wunderbar getröstet. Sie versuchten an Käpten Snieders auf alle erdenkliche Weise wiedergutzumachen, was er an ihrem Jungen getan hatte. So wurde durch ihre Großzügigkeit der Grog zum täglichen Frühstücksgetränk des alten Fahrensmannes, zumal auch Frau Besenhoff sorglich darauf bedacht war, daß der Vorrat an Rum sich nicht erschöpfte. Die Geschichten, die der Kapitän im zweiten Teil des Vormittags erzählte, wurden dadurch noch phantastischer, mochte Maria Neumann auch noch so oft den Finger heben und mahnen: „Nur nicht flunkern, Käpten!“
     

Käpten Snieders flunkert nie!
     
    Eines Tages erfuhr Käpten Snieders, was er mit seinen Geschichten angerichtet hatte.
    Es war an einem Freitag gegen zwölf Uhr. Der Kapitän hatte soeben die Geschichte vom Affenkrieg auf Sumatra erzählt, wo es einem Schimpansenvolk gelungen war, einen Großangriff von ein-hundertunddreizehn Tigern abzuwehren, indem es die Raubkatzen von hohen Palmen aus mit steinharten Kokosnüssen beschoß - da klopfte es an die Tür, und herein kam der Herr, der schon zweimal mit seinem schwarzen Auto bei Heini Brackwede gewesen war. Er zog seinen Hut, begrüßte die Kinder und ging unter der Hängematte hindurch zu Käpten Snieders, dem er mit einer kleinen Verbeugung die Hand gab.
    „Ich war soeben bei Frau Brackwede“, sagte er, „und erfuhr dort, daß Heini seit einiger Zeit wieder zur Schule geht. Demnach müßte er ja hier in der Klasse sein. Ich habe ihm nämlich was zu übergeben.“
    Bei diesen Worten sah er sich in der Klasse um. Er musterte die Kinder am Fenster und an der Wand. Daß in der Hängematte jemand liegen konnte, fiel ihm nicht gleich ein. Heini war aber auch hinter einem mächtigen Kissen gut gedeckt.
    Rudi Turka, der das erstaunte Gesicht des vornehmen Mannes ganz nah vor sich hatte, wollte ihm ein wenig den Weg weisen und sagte hilfreich: „Menß, ßieh dich doch mal daß Krähenneßt an! ßieht beinah ßo auß, alß wenn da einer drinne ßitßt.“
    „Krähennest?“ wiederholte der Herr. Und schon hatte er begriffen.
    „Ach, da bist du ja!“ rief er. „Warte, ich komme zu dir! Sie erlauben doch?“ fragte er Käpten Snieders.
    Der nickte nur. Da ging der Herr schnurstracks über das geräumte Deck, warf Minna, die ihm zweimal dicht an der Nase vorbeiflog, eine Kußhand zu und stand schon unter der Hängematte. „Heini“, sagte er, „ich glaube, wir können uns gratulieren. Das Buch ist sehr gut geworden, äußerlich und innerlich. Ich habe dir hier sechs Exemplare mitgebracht, vorerst einmal, ein Dutzend kriegst du noch nach. Hast du den Kapitän vorbereitet?“
    Heini schüttelte den Kopf und war sehr verlegen. Er fühlte die Augen aller Kinder auf sich gerichtet. So hatte er sich die Bekanntgabe des Buches eigentlich nicht vorgestellt, aber nun mußte es durchgestanden werden.
    Herr Latternicht öffnete seine Aktentasche, holte ein Buch heraus und reichte es Heini hinauf. Der nahm es vor Erregung zitternd in die Hand und sah es an.

    Die Kinder beobachteten ihn und waren sehr, sehr neugierig. Auch Käpten Snieders hätte gerne gewußt, was die beiden da miteinander zu schaffen hatten. Nun,
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