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Kälteeinbruch (German Edition)

Kälteeinbruch (German Edition)

Titel: Kälteeinbruch (German Edition)
Autoren: Jan-Erik Fjell
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roten Schachteln, die sich mitten im Gang stapelten. Tüten mit allerlei Süßigkeiten, mit Schneeflocken und Wichteln verziert, damit sie sich in dieser Jahreszeit besser verkauften. Und es funktionierte. Er packte zwei weitere Marzipanschweine in den Korb.
     
    Eine Stunde später erfüllte der Duft von gebratenem Fleisch die gesamte erste Etage von Antons Wohnblock in St. Hanshaugen. Zweimal war der Rauchmelder losgegangen, sodass Anton schließlich die Wohnungstür und das Fenster im Wohnzimmer öffnen musste. Die ältere Dame, die bei ihm gegenüber wohnte, hatte auf dem Weg zur Treppe den Kopf hereingestreckt und voller Unverständnis gefragt, wie es möglich sei, dass so ein stattlicher Polizist, der obendrein noch kochen konnte, allein wohnte. Woraufhin Anton erwidert hatte: «Ja, das soll mal einer verstehen. Aber Sie wissen ja, Undank ist der Welten Lohn.»
    «Ja, ja, das stimmt», hatte sie geantwortet und war vorsichtig die Treppe hinuntergestiegen.
    Er ließ das Filet einen Moment ruhen, bevor er es zusammen mit den gebratenen Pfifferlingen, den Kartoffeln und dem Mais auf einen Pappteller bugsierte. Vorsichtig goss er die Soße über die Kartoffeln. Holte eines der beiden Steakmesser, die er sich zugelegt hatte, als er vor vier Jahren hier eingezogen war. Bevor er auf den Stuhl am Küchentisch sank, schloss er die Wohnungstür und stellte das Fenster auf Kipp. Mit dem Messer hebelte er den Kronkorken von der Cola-Flasche, nahm einen Schluck und griff nach der Gabel. Schnitt ein großes Stück Filet ab. Rosa. Perfekt.
    Der erste Bissen war gerade auf dem Weg zu seinem Mund, als sein Handy auf der Küchenbank vibrierte.
    Anton legte die Gabel weg. Sah auf das Display und lächelte.
    «Hallo», sagte er und ließ den Blick aus dem Fenster schweifen.
    «Hallo Anton», sagte Elisabeth Brekke Olsen. «Geht’s dir gut?»
    «Bestens. Nahezu perfekt. Kann ich fabelhaft sagen, oder klinge ich dann wie eine deiner Freundinnen?»
    Sie sagte nichts.
    «Und wie geht’s dir und Alex?», fuhr Anton fort, als er keine Antwort erhielt. Er sah zur Decke. «Ich dachte, wir könnten mal wieder was zu dritt unternehmen. Von morgen bis Sonntagnachmittag hab ich Dienst. Wie wär’s mit abends? Deshalb rufst du doch an, oder? Um mir zu sagen, dass du mich vermisst?»
    Er setzte sein breitestes Lächeln auf und wusste, dass sie ihn gut genug kannte, um es durch die Leitung zu spüren. Sein charmantes und zugleich arrogantes Ich-kriege-immer-was-ich-will-Lächeln, mit dem er nicht nur sie, sondern auch schon ihre Eltern bezirzt hatte. Seit ihm dessen Wirkungsmacht aufgegangen war, hatte er sich mit diesem Lächeln durchs Leben manövriert.
    «Ähm …»
    «Den Unterhalt hab ich nämlich überwiesen», versicherte er kurz.
    «Deshalb ruf ich nicht an …»
    «Na gut, aber ich hab ihn am Freitag überwiesen.»
    «Schön. Aber …» Kurze Pause. «Ich hab das Haus verkauft.» Die letzten Worte kamen so unerwartet, dass Anton sie fast nicht verstand.
    Er schob den Teller ein paar Zentimeter von sich weg und stützte die Ellenbogen auf.
    «Echt …?» Mit einem Mal war sein Tonfall ernst. Sie sagte nichts.
    «Warum?», fragte er weiter. «Wohl kaum, weil du es ohne mich nicht mehr darin ausgehalten hast?»
    Schweigen. Dann sagte sie reserviert: «Alex und ich ziehen nach Ullern.» Sie hätte noch hinzufügen können:
basta
.
Und keine Diskussion.
Denn genau das wollte sie sagen. Und es gab auch nichts zu diskutieren, das Haus gehörte jetzt ihr. Zumindest hatte es ihr gehört.
    Anton wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte seinen Sohn vor acht Tagen zuletzt gesehen, da hatte er nichts von einem Umzug erwähnt. Schweigend ließ er die letzten Wochen Revue passieren. Vor gut einem Monat waren sie zu dritt essen gewesen, um Alexanders zwölften Geburtstag zu feiern. Elisabeth, die in den vergangenen vier Jahren ständig wegen verspäteter Unterhaltszahlungen herumgenörgelt hatte, hatte gestrahlt wie ein fünfkarätiger Diamant in gleißendem Sonnenlicht. Sie war wie bei ihrer ersten Begegnung gewesen. Hatte ihn mit demselben schüchternen Blick angesehen wie damals, als sie zum ersten Mal zusammen aufgewacht waren, dem Blick, mit dem sie alles von ihm bekommen konnte, wie sie später herausfinden sollte. Bei ihrem gemeinsamen Abendessen vor gut einer Woche hatte sie ihm sogar liebevoll einen kleinen Fussel vom Jackenärmel gebürstet. Und noch weitergemacht, als der Fussel längst weg war. In jener Nacht hatte er kein Auge
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