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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Autoren: Andrew Blum
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Jahre später wurde er bei Google Leiter des Rechenzentrums in The Dalles, wurde aber bald befördert und half beim Aufbau von Rechenzentren in Hongkong, Malaysia und China. An jenem Tag, als Google sich 2010 aus China zurückzog, war er in Peking. »Wir haben ein paar Kästen stehen lassen, aber die tun nichts, blinken nur vor sich hin«, versicherte er mir.
    Als wir auf Facebook zu sprechen kamen, sagte ich Patchett, dass ich mich fragte, warum das Gebäude ausgerechnet hier stehe, scheinbar am Ende der Welt, aber er fiel mir ins Wort. »Kann man eine ganze Gemeinde abschreiben, nur weil es hier manches nicht gibt?« Er schüttelte den Kopf. »Deshalb kann man doch nicht sagen: Zur Hölle mit ihnen, sollen sie eben Kuchen essen!« Zu glauben, Facebook wäre nach Prineville gekommen, um dem Ort etwas Gutes zu tun, wäre naiv – im Übrigen war die Entscheidung für diesen Standort längst gefallen, als Patchett zu Facebook stieß. Doch jetzt, da sie nun mal hier waren, war Patchett fest entschlossen, Facebook in die Stadt zu integrieren. Facebook betrachtete es als seine Mission, Menschen einander näher zu bringen – manchmal vielleicht näher, als es den Betroffenen lieb war. Das galt auch für dieses Rechenzentrum. »Wir sind nicht hier, um die Kultur von Prineville zu verändern, sondern um uns zu integrieren und ein Teil dieses Ortes zu werden«, sagte er.
    Teilweise war das ein bewusstes Bemühen um gute PR , ein Versuch, nicht die Fehler von Google in The Dalles zu wiederholen, die dem Konkurrenzunternehmen so viel schlechte Presse eingebracht hatten. Während Google alles streng geheim gehalten und jedem mit juristischen Konsequenzen gedroht hatte, der auch nur den Namen des Unternehmens erwähnte, war Facebook zu einem offenen Austausch mit der Stadt entschlossen. 54 Das war Teil einer breiter angelegten Initiative für den offenen Umgang mit der Technik. Auf einer Pressekonferenz kurz nach meinem Besuch in Prineville stellte Facebook das »Open Compute«-Projekt vor, machte den Aufbau des gesamten Rechenzentrums öffentlich, von der Hauptplatine bis zum Kühlsystem, und forderte andere Firmen auf, es als Ausgangspunkt für weitere Verbesserungen zu nehmen. »Es ist an der Zeit, Rechenzentren nicht länger wie einen Fight Club zu behandeln«, erklärte Facebooks Infrastrukturdirektor. 55 Man konnte den Unterschied zwischen Google und Facebook aber auch aus einer anderen Perspektive betrachten: Facebook treibt mit unseren Daten Schindluder, während Google sie mit Zähnen und Klauen verteidigt. Jedenfalls war es Patchett ein Vergnügen, mir Facebooks Rechenzentrum vorzuführen. »Möchten Sie sehen, wie das verdammte Ding funktioniert?«, fragte er. »Das hier hat nicht das Geringste mit einer Wolke, sondern sehr viel mit Kühlung zu tun.«
    Unser Rundgang begann in der verglasten Eingangshalle, mit modernen Möbeln in leuchtenden Farben und Fotos von Prineville-Bewohnern aus früheren Zeiten an der Wand. Facebook hatte einen Kunstberater dafür engagiert, in den Archiven des Ortes zu stöbern und ein paar dekorative Bilder auszusuchen. (Das leuchtete mir ein: Wenn man eine halbe Milliarde Dollar in Festplatten investiert, warum sollte man dann nicht auch ein paar Tausender für Kunst ausgeben?) Patchett beugte sich vor und sah sich eines aus nächster Nähe an. »Schauen Sie sich diese Menschen an – hätten Sie Lust, sich mit der da anzulegen? Und die Hüte. Jeder hat seinen individuellen Hut«, sagte er. »Sie haben alle ihren eigenen Stil«, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu – ein Facebook-Witz.
    Wir kamen an den Besprechungsräumen vorbei, die nach lokalen Brauereien benannt waren, und betraten einen breiten Korridor mit einer Decke so hoch wie in einem Lagerraum bei IKEA . Die Lichter gingen an, sobald wir ihn betraten. Patchett öffnete uns mit einer Schlüsselkarte die Tür zum ersten großen Serverraum, der demnächst ans Netz gehen sollte. Er war geräumig und futuristisch, so groß wie ein Ballsaal, nagelneu und aufgeräumt. Von einem offenen Mittelgang gingen zu beiden Seiten schmale Gänge ab, die von hohen, schwarzen Serverschränken gebildet wurden. Form und Größe des Raums sowie der Betonboden erinnerten an das Magazin im Keller einer Bibliothek. Nur dass dort, wo die Bücher sein sollten, Tausende blaue, flackernde Lämpchen waren. Hinter jedem Lämpchen verbarg sich eine Festplatte mit einer Kapazität von einem Terabyte, von denen in diesem Raum Zehntausende blinkten – und
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