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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
Autoren: Andrew Blum
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Präfixe, aber einen Wegweiser kann jeder aufstellen. Und manchmal geht das ziemlich schief. In einem berühmten Fall im Februar 2008 wies die Regierung von Pakistan wegen eines als anstößig eingestuften Videos alle pakistanischen Internetanbieter an, die Website von YouTube zu sperren. Einem Techniker von Pakistan Telecom, auf dessen Schreibtisch die Anweisung landete, unterlief bei der Konfiguration seines Routers jedoch ein Fehler, und anstatt den Pfad zu YouTube zu löschen, gab er ihn als seinen eigenen an – er verkündete mit anderen Worten, dass er YouTube sei. Innerhalb von zweieinhalb Minuten wurde der »gekaperte« Pfad an Router im gesamten Internet weitergeleitet, sodass jeder, der YouTube aufrufen wollte, nun bei Pakistan Telecom anklopfte. Aber hinter dieser Tür war YouTube natürlich nicht zu finden. Dadurch war YouTube fast überall auf der Welt vorübergehend nicht erreichbar. Bis der ganze Schlamassel in Ordnung gebracht war, vergingen fast zwei Stunden. 9
    Das klingt alles grotesk locker und informell, aber es bringt die grundlegende Offenheit des Internets auf den Punkt. Für ein an das Internet angeschlossenes Netzwerk ist ein gewisses Maß an Verwundbarkeit unvermeidlich. Wenn zwei Netzwerke eine Verbindung untereinander herstellen, müssen sie sich vertrauen – und damit auch jedem, dem der andere vertraut. Internet-Netzwerke sind promiskuitiv, aber sie machen zumindest kein Hehl daraus. Sie praktizieren freie Liebe. Jon Postel, der langjährige Leiter der IANA , formulierte daraus die goldene Regel für Netzwerkingenieure: »Sei konservativ in dem, was du verschickst, aber tolerant bei dem, was du empfängst.«
    Für TeleGeography heißt das, dass alle Informationen frei verfügbar sind – vorausgesetzt, man weiß, wo man suchen muss. Erleichtert wird diese Suche von einem Programm namens »Traceroute«, das 1988 von einem Informatiker am Lawrence Berkeley National Laboratory entwickelt wurde. Er habe die Nase voll gehabt, schrieb dieser in einer Mailingliste an seine Kollegen, mühsam herauszufinden »wie zum !?*! die Pakete von A nach B gelangen«, und ein einfaches Programm geschrieben, mit dem sich der Weg nachverfolgen ließ. Man gibt eine IP -Adresse ein, und Traceroute spuckt eine Liste der Router aus, bei denen die Daten unterwegs vorbeikommen, nebst der Zeit (in Millisekunden), die die Reise von einem zum nächsten in Anspruch genommen hat. Doch die Mitarbeiter von TeleGeography gehen noch einen Schritt weiter. Sie suchen gezielt 15 Orte auf der ganzen Welt aus, die »Sackgassencharakter« haben, weil es von dort nur wenige Anbindungswege ans Internet gibt – zum Beispiel die zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln. Daraufhin fahnden sie nach Servern, auf denen sich das Programm Traceroute findet (in der Regel sind es Rechner von Informatik-Lehrstühlen), und weisen diese 15 Server an, mittels Traceroute Anfragen bei 2500 »Zieladressen« zu starten, sorgfältig ausgewählten Websites, von denen man mit guten Gründen annehmen kann, dass sie sich tatsächlich auf einem Server an jenem Ort befinden, wo sie sich zu befinden vorgeben. So ist es unwahrscheinlich, dass die Website der Jagiellonen-Universität in Krakau auf einem Server in, sagen wir, Nebraska herumliegt. TeleGeography in Washington bittet also einen Informatiklehrstuhl in Dänemark, herauszufinden, wie er mit einer Universität in Polen verbunden ist. Das ist ungefähr so, als würde jemand in Skandinavien einen Suchscheinwerfer auf 2500 unterschiedliche Orte auf der ganzen Welt richten und dann über die charakteristischen Reflexionen berichten. Der Trick von TeleGeography besteht darin, reale, möglichst abgelegene Orte und Sackgassen zu suchen und so die Anzahl möglicher Wege zu minimieren.
    Alles in allem stellen die 15 von TeleGeography ausgewählten Hosts 2500 Suchanfragen, das ergibt insgesamt mehr als 25 000 Reisen durchs Internet und damit kreuz und quer über den Globus. So manche dieser Anfragen erreicht niemals ihr Ziel, und ihre Spur verläuft im Sand, irgendwo in den Weiten des Cyberspace. Das Ganze dauert mehrere Tage, nicht etwa, weil TeleGeography einen langsamen Computer hätte, oder eine langsame Internetverbindung. Vielmehr summieren sich die Tausende von Reisen. Die Testpakete werden im Zickzack um den Globus geleitet, und die vielen Millisekunden addieren sich, obwohl die Pakete keineswegs trödeln. Die Wege sind alles andere als zufällig oder theoretisch. Jedes Paket – ein Stückchen
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