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Kabale und Liebe

Kabale und Liebe

Titel: Kabale und Liebe
Autoren: Friedrich Schiller
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Das anzuhören und schweigen zu müssen!
    Ferdinand. Und die süße melodische Stimme—Wie kann so viel Wohlklang kommen aus zerrissenen Saiten? (Mit trunkenem Aug auf ihrem Anblick verweilend.) Alles so schön—so voll Ebenmaß—so göttlich vollkommen!—Überall das Werk seiner himmlischen Schäferstunde! Bei Gott! als wäre die große Welt nur entstanden, den Schöpfer für dieses Meisterstück in Laune zu setzen!—Und nur in der Seele sollte Gott sich vergriffen haben? ist es möglich, daß diese empörende Mißgeburt in die Natur ohne Tadel kam? (Indem er sie schnell verläßt.) Oder sah er einen Engel unter dem Meißel hervorgehen und half diesem Irrthum in der Eile mit einem desto schlechteren Herzen ab?
    Luise. O des frevelhaften Eigensinns! Ehe er sich eine Übereilung gestände, greift er lieber den Himmel an.
    Ferdinand (stürzt ihr heftig weinend an den Hals). Noch einmal, Luise!—Noch einmal wie am Tag unsers ersten Kusses, da du Ferdinand stammeltest und das erste Du auf deine brennenden Lippen trat—O eine Saat unendlicher, unaussprechlicher Freuden schien in dem Augenblick wie in der Knospe zu liegen—Da lag die Ewigkeit wie ein schöner Maitag vor unsern Augen; goldne Jahrtausende hüpften, wie Bräute, vor unsrer Seele vorbei—Da war ich der Glückliche!—O Luise! Luise! Luise! Warum hat du mir das gethan?
    Luise. Weinen Sie, weinen Sie, Walter. Ihre Wehmuth wird gerechter gegen mich sein, als Ihre Entrüstung.
    Ferdinand. Du betrügst dich. Das sind ihre Thränen nicht—Nicht jener warme, wollüstige Thau, der in die Wunde der Seele balsamisch fließt und das starre Rad der Empfindung wieder in Gang bringt. Es sind einzelne—kalte Tropfen—das schauerliche ewige Lebewohl meiner Liebe. (Furchtbar feierlich, indem er die Hand auf ihren Kopf sinken läßt.) Thränen um deine Seele, Luise—Thränen um die Gottheit, die ihres unendlichen Wohlwollens hier verfehlte, die so muthwillig um das herrlichste ihrer Werke kommt—O mich däucht, die ganze Schöpfung sollte den Flor anlegen und über das Beispiel betreten sein, das in ihrer Mitte geschieht—Es ist was Gemeines, daß Menschen fallen und Paradiese verloren werden; aber wenn die Pest unter Engel wüthet, so rufe man Trauer aus durch die ganze Natur.
    Luise. Treiben Sie mich nicht aufs Äußerste, Walter. Ich habe Seelenstärke, so gut wie Eine—aber sie muß auf eine menschliche Probe kommen. Walter, das Wort noch und dann geschieden—Ein entsetzliches Schicksal hat die Sprache unsrer Herzen verwirrt. Dürft' ich den Mund aufthun, Walter, ich könnte dir Dinge sagen—ich könnte—aber das harte Verhängniß band meine Zunge wie meine Liebe, und dulden muß ich's, wenn du mich wie eine gemeine Metze mißhandelst.
    Ferdinand. Fühlst du dich wohl, Luise?
    Luise. Wozu diese Frage?
    Ferdinand. Sonst sollte mir's leid um dich thun, wenn du mit einer
Lüge von hinnen müßtest.
    Luise. Ich beschwöre Sie, Walter-Ferdinand (unter heftigen Bewegungen). Nein! nein! Zu satanisch wäre diese Rache! Nein! Gott bewahre mich! In jene Welt hinaus will ich's nicht treiben—Luise! Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.
    Luise. Fragen Sie, was Sie wollen. Ich antworte nichts mehr. (Sie setzt sich nieder.)
    Ferdinand (ernster). Sorge für deine unsterbliche Seele, Luise!
—Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem
Zimmer gehen.
    Luise. Ich antworte nichts mehr.
    Ferdinand (fällt in fürchterlicher Bewegung vor ihr nieder). Luise! Hast du den Marschall geliebt? Ehe dieses Licht noch ausbrennt—stehst du—vor Gott!
    Luise (fährt erschrocken in die Höhe). Jesus! Was ist das?—und mir wird sehr übel. (Sie sinkt auf den Sessel zurück.)
    Ferdinand. Schon?—Über euch Weiber und das ewige Räthsel! Die
zärtliche Nerve hält Freveln fest, die die Menschheit an ihren
Wurzeln zernagen; ein elender Gran Arsenik wirft sie um-Luise. Gift!
Gift! O mein Herrgott!
    Ferdinand. So fürchte ich. Deine Limonade war in der Hölle gewürzt.
Du hast sie dem Tod zugetrunken.
    Luise. Sterben! Sterben! Gott Allbarmherziger! Gift in der
Limonade und sterben!—O meiner Seele erbarme dich, Gott der Erbarmer!
    Ferdinand. Das ist die Hauptsache. Ich bitt' ihn auch darum.
    Luise. Und meine Mutter—mein Vater—Heiland der Welt! Mein armer, verlorener Vater! Ist keine Rettung mehr? Mein junges Leben, und keine Rettung! Und muß ich jetzt schon dahin?
    Ferdinand. Keine Rettung, mußt jetzt schon dahin—aber sei
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