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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman
Autoren: Sarah Dessen
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Es war ein frischer Anfang. Ich brauchte nicht mehr das Mädchen zu sein, das alles hatte. Oder gar nichts. War jetzt eine völlig andere. Vielleicht sogar die, die alles ausspricht. Alles erzählt.
    »Zwei Minuten bis zur nächsten Unterbrechung«, sagte Rolly. Ich nickte, setzte den Kopfhörer wieder auf. Als er sich vom Mikrofon abwandte, wuschelte Clarke ihm durchs Haar. Er lächelte sie an und schnitt eine gespielt genervte Grimasse, weil sie sich wieder über ihr Sonntags-Kreuzworträtsel beugte. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht,das Rätsel jede Woche in exakt der Zeit lösen zu wollen, in der die Sendung lief. Clarke betrachtete das Leben grundsätzlich als eine Art Wettkampf, sogar mit sich selbst. Eine ihrer Eigenschaften, die ich   – wie so vieles über sie   – total vergessen hatte. Doch inzwischen war es mir wieder eingefallen. Wie zum Beispiel auch, dass sie gern mitsang, wenn das Radio lief, sich aus Prinzip keine Horrorfilme ansah und mich dazu bringen konnte, wegen der idiotischsten Kinkerlitzchen in haltlose Lachkrämpfe auszubrechen. Ganz vorsichtig tasteten wir uns wieder an eine Freundschaft heran. Es war nicht mehr so wie früher. Aber das hätte ohnehin keine von uns gewollt. Derzeit waren wir einfach nur froh darüber, gelegentlich zusammen abzuhängen. Alles andere würde sich ergeben. Wir nahmen es eben, wie es kam, einen Tag nach dem nächsten.
    Und so ging ich seit Neuestem mit allem und jedem um. Ich akzeptierte das Gute, wie es kam, und das Schlechte genauso. Wusste, dass beides jeweils irgendwann vorbei sein würde   – wenn es eben so weit war. Meine Schwestern redeten immer noch miteinander, von Zeit zu Zeit stritten sie auch immer noch. Kirsten hatte ihr zweites Filmseminar belegt und arbeitete an einem Film übers Modeln. Das war an und für sich schon ziemlich schräg, aber darüber hinaus behauptete sie auch noch steif und fest, ihr Film werde »die Welt aus den Angeln heben« (was auch immer das bedeuten sollte). Whitney ging seit Anfang Januar auf unser örtliches College, wo sie neben ein paar Pflichtkursen an zwei Schreibseminaren teilnahm, eins über biografisches, das andere über fiktionales Erzählen. Sofern ihre Ärzte und Therapeuten ihr das Okay gaben, würde sie im Frühjahr in ihr eigenes Apartment ziehen. Bei der Wohnungssuche achtete sie peinlich genau darauf, dass Pflanzendort genug Licht haben würden. In der Zwischenzeit standen ihre Kräuter nach wie vor auf unserer Fensterbank. Ich ging eigentlich jeden Tag mindestens einmal daran vorbei, rieb sanft die würzig duftenden Blätter zwischen meinen Fingern, sodass sich die unterschiedlichen Aromen in der Luft um mich herum auflösten, davonschwebten. Und verweilten.
    Meine Mutter hatte all diese Veränderungen hingenommen. Natürlich flossen zwischendurch Tränen; doch gleichzeitig legte sie eine Stärke an den Tag, die mich verblüffte. Ich hatte ihr endlich eröffnet, dass ich nicht mehr modeln wollte. Während sie noch damit kämpfte, diesen Teil meines   – und ihres   – Lebens loszulassen, schuf sie sich selbst einen Ausgleich, indem sie eine Halbtagsstelle bei Lindy annahm, die immer noch verzweifelt eine Assistentin suchte. Und das passte einfach. Denn jetzt schickte sie andere Mädchen zu Castings, verhandelte mit Kunden und behielt so einen Fuß in der Welt, in der sie sich von uns allen immer am wohlsten gefühlt hatte.
    Trotzdem standen ihr vermutlich noch einmal harte Zeiten bevor, wenn in ein paar Wochen der neue Werbespot laufen würde, den das
Kaufhaus Kopf
für seine Frühjahrsmode produziert hatte. Soweit ich mitgekriegt hatte, waren sie bei dem Konzept geblieben, das schon meinem Spot zugrunde lag: der Idee vom perfekten »Mädchen, das alles hat«; die zur Schule geht, Sportveranstaltungen besucht, auf einem Ball tanzt. Nur eben in Frühlings- und Sommerklamotten. Vielleicht hätte mich das Konzept auch diesmal wieder genervt, genau wie letztes Jahr, als ich den Spot gedreht hatte. Tat es aber nicht, und zwar wegen des Mädchens, das statt meiner gecastet wurde: Emily. Was mir absolut stimmig erschien. Denn wenn hier schon jemandVorbild sein musste, dann   – nach all den Ereignissen der letzten Monate   – doch wohl sie.
    Was Emilys und mein Verhältnis zueinander betraf: Freundinnen waren wir nicht direkt. Aber wir wussten beide, was wir zusammen durchgemacht hatten, würde uns für immer verbinden. Ob wir wollten oder nicht. Wenn wir einander in der Schule oder sonst
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