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Just Kids

Titel: Just Kids
Autoren: Patti Smith
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oder?«, fragte er voller Stolz. Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen: ein Christus aus Elfenbein, ein schlafender Amor aus weißem Marmor; ein Sessel und ein Schränkchen von Stickley; eine Sammlung exklusiver Gustavsberg-Vasen. Aber sein Schreibtisch war für mich die Krönung seinerSammlung. Ein Design von Gio Ponti aus hellem Walnuss-Wurzelholz mit frei schwebender Schreibfläche. Die mit Zebraholz ausgekleideten Fächer bargen kleine Talismane und Füllfederhalter, fast ein Altar.

    Über dem Schreibtisch hing ein gold- und silberfarbenes Triptychon mit der Fotografie, die er 1973 für das Cover von Witt von mir gemacht hatte. Er hatte die Aufnahme mit dem reinsten Gesichtsausdruck ausgewählt, das Negativ gedreht und so ein Spiegelbild geschaffen; in der Mitte befand sich ein violettes Leerfeld. Violett war immer unsere Farbe gewesen; die Farbe der persischen Halskette.
    »Ja«, sagte ich. »Das hast du.«
    In den darauffolgenden Wochen fotografierte Robert mich mehrfach. In einer unserer letzten Sessions trug ich mein schwarzes Lieblingskleid. Er reichte mir einen blauenMorpheus-Schmetterling, der auf einer Stecknadel mit gläsernem Kopf aufgespießt war. Er machte ein Farb-Polaroid. Alles erschien schwarz und weiß, akzentuiert durch den irisierend blauen Schmetterling, der die Unsterblichkeit symbolisierte.
    Robert konnte es wie früher kaum erwarten, mir seine neusten Arbeiten zu zeigen. Es waren großformatige Platindrucke auf Leinwand, Dye-Transfer-Prints von Spinnen-Lilien. Das Bild von Thomas und Dovanna, ein nackter Schwarzer, der in einer tänzerischen Geste eine Frau in einem weißen Ballkleid hält, eingerahmt von Feldern aus weißer Moiréseide. Wir standen vor einer Arbeit, die gerade erst nach Roberts Entwurf gerahmt wieder eingetroffen war: Thomas in einem schwarzen Kreis in Olympioniken-Pose, darunter ein Feld mit Leopardenfell. »Ist doch genial, oder?«, fragte er. Der Klang seiner Stimme, die Vertrautheit gerade dieser Bemerkung verschlug mir den Atem. »Ja, genial.«
    Als ich mein tägliches Leben in Michigan wieder aufnahm, spürte ich, wie sehr ich Roberts Gegenwart vermisste: Ich vermisste uns. Das Telefon, um das ich normalerweise einen weiten Bogen machte, wurde unsere Rettungsleine, und wir telefonierten häufig, auch wenn die Gespräche mitunter von Roberts immer stärker werdendem Husten beherrscht wurden. An meinem Geburtstag äußerte er sich besorgt über Sam.
    An Neujahr rief ich Sam an. Er hatte gerade eine Bluttransfusion bekommen und wirkte bemerkenswert optimistisch. Er sagte, er fühle sich in einen Menschen verwandelt, der es schaffen wird. Sammlernatur wie eh und je wünschte er sich, nach Japan fliegen zu können, wo er auch mit Robert schon gewesen war, da es dort gerade ein Teeservice in einer himmelblauen Lackdose zu ergattern gäbe, das er wahnsinnig gern hätte. Er bat mich, ihm noch einmal das Schlaflied vorzusingen, und ich tat ihm den Gefallen.
    Gerade als wir uns verabschieden wollten, beschenkte er mich einmal mehr mit einer seiner berüchtigten Storys. Da er meine Leidenschaft für diesen großartigen Bildhauer kannte, sagte er:»Peggy Guggenheim hat mir mal erzählt, dass man, wenn man Sex mit Brancusi hatte, unter keinen Umständen seinen Bart berühren durfte.«
    »Das merk ich mir«, entgegnete ich, »falls ich ihm irgendwann im Himmel über den Weg laufe.«
    Am vierzehnten Januar rief Robert völlig aufgelöst an. Sam, sein treuer Liebhaber und Förderer, war tot. Schmerzliche Brüche und Verwerfungen, Häme und Neid anderer hatten ihrer Beziehung nichts anhaben können, aber gegen dieses traurige Schicksal waren sie machtlos. Durch den Verlust von Sam, der immer das Bollwerk in seinem Leben gewesen war, war Robert am Boden zerstört.
    Mit Sams Tod schwanden auch Roberts eigene Hoffnungen, wieder gesund zu werden. Um ihn ein bisschen aufzurichten, schrieb Fred die Musik und ich die Lyrics zu Paths that Cross, einer Art Sufi-Lied Sam zu Ehren. Robert war uns dankbar für den Song, doch ich wusste schon, dass ich mich eines Tages wohl mit denselben Worten würde trösten müssen. Paths that cross will cross again.
    Am Valentinstag waren wir wieder in New York. Robert litt unter hartnäckigen Magenbeschwerden und fieberte mitunter, war aber äußerst aktiv.
    An den folgenden Tagen waren Fred und ich hauptsächlich mit Studioaufnahmen in der Hit Factory beschäftigt. Uns saß die Zeit im Nacken, denn meine Schwangerschaft war schon fortgeschritten,
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