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Just Kids

Titel: Just Kids
Autoren: Patti Smith
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Birnbäume bogen sich vor Früchten. Ich fühlte mich irgendwie vergrippt, aber mein instinktsicherer armenischer Arzt erklärte mir, es sei keine Grippe, sondern das Frühstadium einer Schwangerschaft. »Was Sie sich erträumt haben, ist wahr geworden«, erklärte er mir. Später saß ich fassungslos vor Freude in der Küche und fand, es sei ein günstiger Augenblick, um Robert anzurufen.
    Fred und ich hatten gerade mit der Arbeit an unserem Album Dream of Life begonnen, und er schlug vor, Robert zu bitten, mich für das Cover zu fotografieren. Ich hatte ihn seit längerer Zeit weder gesehen noch gesprochen. Ich setzte mich hin und bereitete mich innerlich auf den Anruf vor, als das Telefon klingelte. Ich war so auf Robert konzentriert, dass ich einen Moment glaubte, er müsste es sein. Aber es war meine Freundin und Rechtsberaterin Ina Meibach. Sie sagte, sie hätte schlechte Nachrichten, undich ahnte sofort, dass es um Robert ging. Er lag mit einer AIDS-bedingten Lungenentzündung im Krankenhaus. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ich legte die Hand reflexartig auf meinen Bauch und begann zu weinen.
    Alle meine früheren Ängste manifestierten sich mit der Plötzlichkeit eines strahlend weißen Segels, das in Flammen aufgeht. Meine Vision von damals, einen zu Staub zerfallenden Robert zugrunde gehen zu sehen, fiel mir mit erbarmungsloser Deutlichkeit wieder ein. Nun sah ich seine Ungeduld, etwas aus sich zu machen, in einem anderen Licht; so als sei ihm nur die kurze Lebenszeit eines jungen Pharao beschieden.
    Ich stürzte mich kopflos in kleine häusliche Aufgaben und überlegte, was ich sagen sollte, wenn ich ihn nun nicht wie gedacht zu Hause anrief, um über eine Zusammenarbeit zu reden, sondern im Krankenhaus anrufen musste. Um mich zu wappnen, telefonierte ich zuerst mit Sam Wagstaff. Obwohl ich seit einigen Jahren nicht mit Sam gesprochen hatte, freute er sich, von mir zu hören. Ich erkundigte mich nach Robert. »Er ist sehr krank, der arme Schatz«, sagte er, »aber ihm geht’s nicht so schlecht wie mir.« Das war ein weiterer Schock, besonders, weil Sam zwar älter als wir, aber trotzdem immer der robustere gewesen war, immun gegen körperliche Verfallserscheinungen. Er meinte, die Krankheit, die ihm aus allen Richtungen massiv zusetzte, sei »äußerst unerfreulich« – typisch Sam.
    Es brach mir das Herz, dass auch Sam so zu leiden hatte, doch allein schon seine Stimme zu hören, gab mir den Mut, den ich für den zweiten Anruf brauchte. Als Robert ans Telefon ging, klang seine Stimme schwach, wurde aber fester, als er hörte, dass ich es war. Obwohl so viel Zeit verflossen war, waren wir ganz dieselben und beendeten atemlos die Sätze des anderen. »Ich lasse mich von diesem Mist nicht kleinkriegen«, erklärte er mir. Ich wollte von ganzem Herzen daran glauben.
    »Ich besuche dich bald«, versprach ich.
    »Es war so schön, von dir zu hören, Patti«, sagte er, bevor erauflegte. Ich habe immer noch im Ohr, wie er das sagt. Auch jetzt höre ich es.

    Sobald Robert gesund genug war, um das Krankenhaus zu verlassen, verabredeten wir ein Treffen. Fred packte seine Gitarren zusammen, und wir fuhren mit unserem Sohn Jackson von Detroit nach New York. Wir checkten im Mayflower Hotel ein, und Robert kam bald, um uns zu begrüßen. Er trug seinen langen Ledermantel und sah extrem gut aus, wenn auch etwas erhitzt. Er zog an meinen langen Zöpfen und nannte mich Pocahontas. Zwischen uns sprang eine solche Energie über, dass sie den ganzen Raum zu verstrahlen schien; eine Leuchtkraft, die wir selbst erzeugten, wenn wir zusammenkamen.
    Robert und ich besuchten Sam auf der AIDS-Station im St. Vincent’s Hospital. Sam, der immer so rege, frisch und durchtrainiert gewesen war, lag mehr oder weniger hilflos da und verlor immer wieder das Bewusstsein. Er hatte Karzinome und wunde Stellen am ganzen Körper. Robert wollte seine Hand nehmen, aber Sam zog sie weg. »Sei nicht albern«, tadelte Robert ihn und ergriff sanft die Hand. Ich sang Sam das Schlaflied vor, das Fred und ich für unseren Sohn geschrieben hatten.
    Ich begleitete Robert zu seinem neuen Loft. Er wohnte nicht mehr in der Bond Street, sondern in einem großzügigen Studio in einem Art-déco-Gebäude in der Twenty-third Street, nur zwei Kreuzungen vom Chelsea entfernt. Er war optimistisch und überzeugt, dass er überleben würde. Er war zufrieden mit seiner Kunst, seinem Erfolg und seinen schönen Dingen. »Und, hab ich doch ganz gut gemacht,
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