Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht

Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht

Titel: Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Frage mit dem Fahrrad: Ein Dieb ist nur derjenige, der eine Sache für immer wegnimmt. Nur dann eignet er sie sich zu. Wer ein Fahrrad nimmt, es dem Eigentümer aber nach zwei Stunden wiederbringt, nimmt die Sache nicht für immer weg, sondern nur für eine kurze Zeit. Für einen Diebstahl reicht das nicht aus. Ungefragtes Ausleihen ist kein Diebstahl.
    Mit dem Bestimmtheitsgrundsatz meint es der Gesetzgeber sehr ernst. Vor über 100 Jahren, nämlich im Jahr 1899, hatte ein Gericht über einen «Stromdieb» zu entscheiden.
    Ein Mann hatte heimlich die Stromleitung seines Nachbarn «angezapft». Er wollte auf dessen Kosten die Lampe in seinem Zimmer leuchten lassen. Als die Sache aufflog, hat man gesagt, der Mann sei ein Dieb, weil er einem anderen etwas, nämlich Strom, weggenommen hat. Das Gesetz sagt aber, dass nur der ein Dieb ist, der einem anderen «eine Sache» wegnimmt. Ist Strom aber eine Sache? Der Mann sagte nein, Strom sei keine Sache. Strom könne man nicht sehen und nicht anfassen. Das Reichsgericht gab dem Mann Recht. Strom sei keine Sache, und wer Strom wegnehme, begehe keinen Diebstahl.
    Urteil vom 1. Mai 1899 (Rep. 738/99)
    Der Strom«dieb» war zwar gemein, weil er einem anderen einen Schaden zugefügt hat. Die Richter konnten ihn aber nicht bestrafen, weil es kein Gesetz gab, nach dem er bestraft werden konnte. Damit so etwas nicht wieder passiert, gibt es heute § 248c Strafgesetzbuch. In dieser Vorschrift wird die Entziehung elektrischer Energie unter Strafe gestellt. Wer also heute fremden Strom anzapft, begeht zwar immer noch keinen Diebstahl, aber er entzieht elektrische Energie und kann bestraft werden.
3. Gesetze gelten nur für die Zukunft –
das Rückwirkungsverbot
    Gesetze gelten immer für die Zukunft – frühestens ab dem Tag, an dem sie bekannt gemacht worden sind. Nur wenn Gesetze veröffentlicht sind, kann sich jeder darüber informieren, welche Regeln gelten. Vorher nicht.
    Es klingt selbstverständlich, dass Gesetze nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit erlassen werden dürfen. Sonst weiß man ja erst im Nachhinein, dass man etwas Verbotenes getan hat. Was für uns heute selbstverständlich ist, war nicht immer so. Es hat eine Zeit in Deutschland gegeben, da hat der Gesetzgeber Gesetze erlassen, die nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit, also rückwirkend, gegolten haben. So auch das «Autofallenraubgesetz» aus dem Jahr 1938.
     
    Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1938, haben zwei Männer Autos überfallen. Dazu haben sie Äste oder Bäume auf die Straße gelegt und Autofahrer gezwungen, anzuhalten. Dann haben sie die Autofahrer ausgeraubt. Während dieser Zeit gab es kein Gesetz, wonach jemand bestraft werden konnte, der Autos überfällt. Daher hat der damalige Gesetzgeber am 22. Juni 1938 das «Autofallenraubgesetz» erlassen: «Wer in räuberischer Absicht eine Autofalle stellt, wird mit dem Tode bestraft.» Und damit der Staat auch alle bisherigen Raubüberfälle bestrafen konnte, hieß es in dem Gesetz auch noch: «Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Januar 1936 in Kraft.» Das heißt also, das Gesetz wurde im Jahr 1938 erlassen und galt gleich noch für die beiden vergangenen Jahre 1936 und 1937 mit. Und so konnten die Gerichte auch die Räuber bestrafen, die in den Jahren 1936 und 1937 Autos überfallen hatten.
    Das findest du vielleicht in Ordnung. Weiß doch jeder, dass man keine Autos überfällt. Solche Leute kann man nicht frei herumlaufen lassen. Da macht man lieber ein Gesetz, das für die Vergangenheit gilt, um alle Räuber bestrafen zu können. Sicher, es ist bitter, einen Räuber «nur» deshalb nicht bestrafen zu können, weil es versehentlich kein Gesetz gibt. Aber stell dir vor, deine Eltern würden dir heute Abend sagen, dass du immer dann, wenn du dein Zimmer nicht aufgeräumt hast, 2 Euro an das SOS-Kinderdorf zahlen musst. Und, dass du jetzt schon mal 60 Euro zahlen musst, weil du in der letzten Zeit mindestens dreißigmal dein Zimmer nicht aufgeräumt hast. Das würdest du sicher ungerecht finden. Und weil so etwas tatsächlich ungerecht ist, hebt unser höchstes Gericht, das Bundesverfassungsgericht, solche rückwirkenden Gesetze auf. Sie sind null und nichtig.
4. Gesetze müssen die Grundrechte beachten
    Über allen Gesetzen thront das höchste deutsche Gesetz, das Grundgesetz. Es wird GG abgekürzt. Das Grundgesetz enthält19 wichtige Rechte, die Grundrechte. Die Grundrechte sind so wichtig,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher