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Julie oder Die neue Heloise

Titel: Julie oder Die neue Heloise
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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wie gewöhnlich; aber bis auf einen gewissen Punkt ist Ihre Methode ziemlich richtig. Zum Beispiel, wenn Ihre Heloise immer ordentlich gewesen wäre, würde das Buch weit weniger lehrreich sein; denn wem würde sie zum Vorbild dienen? Gerade in den verderbtesten Zeiten liebt man die Lehren der vollkommensten Moral: sie vereiteln den Gedanken an Nachahmung und man befriediget im müßigen Lesen den Rest von Neigung, welchen man noch für die Tugend hat, auf wohlfeile Weise.
    R. Ja, ihr hochfliegenden Schriftsteller, stimmt eure Ideale ein wenig herab, wenn ihr wollt, daß man ihnen nachzuahmen trachte. Wem preiset ihr die Reinheit, die noch nie befleckt worden? Ei, zeigt uns die, welche sich wieder erlangen läßt; vielleicht ist es dann wenigstens möglich, daß Jemand auf euch höre.
    N. Ihr Jüngling hat diese Bemerkung schon ausgesprochen. Indessen es hilft nicht; man wird es Ihnen nichtsdestoweniger zum Verbrechen machen, daß Sie sagen, was man thut, um hinterher zu zeigen, was man thun sollte. Gar nicht davon zu reden, daß man die bestehende Ordnung über den Haufen wirft und die platte Moral, welche die Philosophie verbannt hat, zurückführt, wenn man den jungen Mädchen Liebe und den verheirateten Frauen Zurückhaltung an's Herz legt. Sagen Sie was Sie wollen, bei einem Mädchen ist die Liebe unanständig und skandalös, und nur ein Ehemann berechtigt ein Frauenzimmer zu einem Liebhaber. O wie ungeschickt, Nachsicht für die Mädchen zu zeigen, die Sie nicht lesen sollen und Strenge gegen die Frauen, welche Sie richten werden! Wahrhaftig, wenn Sie Furcht haben, mit Ihrem Buche Glück zu machen, so beruhigen Sie sich; Sie haben zu gute Vorkehrungen getroffen, um nicht vor einer solchen Kränkung ganz sicher zu sein. Wie dem nun sei, ich werde Ihr Geheimniß bewahren; seien Sie wenigstens nur zur Hälfte Tollkopf.Wenn Sie meinen, ein nützliches Buch in die Welt zu schicken, gut! Aber hüten Sie sich, sich dazu zu bekennen.
    R. Mich dazu zu bekennen? Wie, mein Herr? Versteckt sich ein ehrlicher Mann, wenn er zu dem Publikum spricht? Darf er drucken lassen, was er sich nicht anzuerkennen getraut? Ich bin der Herausgeber dieses Buchs und werde mich als Herausgeber nennen.
    N. Sie werden sich nennen? Sie?
    R. Ja wohl, ich.
    N. Wie? Sie wollen Ihren Namen auf den Titel setzen?
    R. Allerdings.
    N. Ihren wahren Namen? Jean Jacques Rousseau, Wort für Wort?
    R. Wort für Wort: Jean Jacques Rousseau.
    N. Ich bitte Sie aber, was wird man von Ihnen denken?
    R. Was man will. Ich nenne mich an der Spitze dieser Sammlung, nicht um sie mir beizulegen, sondern um dafür einzustehen. Wenn etwas darin schlecht ist, daß man es mir zurechne; nicht, wenn Gutes darin ist, daß ich es mir zur Ehre mache. Wenn man das Buch an sich selbst schlecht findet, so ist das nur ein Grund mehr, meinen Namen darauf zu setzen. Ich will nicht für besser gelten, als ich bin.
    N. Diese Antwort finden Sie genügend?
    R. Ja, in einer Zeit, wo es Niemandem möglich ist, gut zu sein.
    N. Wie? Und die „schönen Seelen“?
    R. Die Natur schuf sie, aber euere Einrichtungen verderben sie.
    N. Vor einer Liebesgeschichte wird man also lesen: „Von Jean Jacques Rousseau, Bürger von Genf."
    R. Bürger von Genf? Nein, das nicht. Ich profanire den Namen meines Vaterlandes nicht! den setze ich nur auf Schriften, die ihm meiner Meinung nach zur Ehre gereichen können.
    N. Sie haben selbst einen Namen, der nicht ungeehrt ist und Sie haben auch etwas zu verlieren. Sie schicken ein schwaches und plattes Buch in die Welt, das Ihnen schaden wird. Ich möchte Sie davon abhalten; wenn Sie aber einmal die Dummheit begehen, so finde ich es gut, daß Sie es offen und ehrlich thun; Sie werden wenigstens Ihrem Charakter hierin treu sein. Aber,
apropo
s, werden Sie auch Ihre Devise
[Vitam impendere vero. ,,Das Leben dem Dienste der Wahrheit opfern"; s. z. B. „Bekenntn. Th. 9. S. 11 Anm. D. Ueb.]
auf das Buch setzen?
    R. Mein Buchhändler hat schon diesen Scherz gemacht, und ich habe ihn so gut gefunden, daß ich versprochen habe, ihn ihm zu lassen. Nein, mein Herr, ich werde meine Devise nicht auf das Buch setzen, aber ich werde sie deshalb nicht aufgeben und es ist mir weniger als je leid, daß ich sie angenommen habe. Erinnern Sie sich, daß ich schon daran dachte, diese Briefe drucken zu lassen, als ich gegen die Schauspiele schrieb und daß ich mich nicht habe verleiten lassen, um die eine dieser Schriften zu entschuldigen, der Wahrheit der anderen Abbruch zu
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