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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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aus Kindertagen haben fast alle einen Taxifahrer zum Vater.
    »Ich habe nie mit Puppen gespielt oder mich mit Mädchen abgegeben«, erinnert sich Julia. »Die Jungen hatten mehr Freiheiten und die besseren Einfälle. Das hat mich angezogen. Ich war kein wildes Kind, aber ihre Spiele haben mir gefallen, Fußball zum Beispiel.«
    In der Hofmannschaft war Julia immer Stürmerin und schoss viele Tore. Dabei herrschten raue Sitten. Jedes Spiel endete mit »Schinkenklopfen«. Die Verlierer mussten den Siegern ihr Hinterteil darbieten, auf das dann scharfe Bälle abgeschossen wurden. Julia drückte sich nie und biss die Zähne zusammen.
    Als sie zum Star wurde, strömten die Reporter nach Dnipropetrowsk. Klassenkameraden, Hausnachbarn, Lehrer, Kommilitonen und Universitätsprofessoren – jeder wurde befragt. Begierig durchwühlte man Fotoalben und Schularchive. Die Ergebnisse sind nicht sehr beeindruckend. Viel süßlicher Kitsch über eine ausgezeichnete Schülerin, aber kaum echte Informationen.
    Mit Blick auf das, was aus ihr geworden ist, haben auch wir in der Julia der Dnipropetrowsker Jahre nach frühen Anlagen für die spätere »Gasprinzessin« und flammende Revolutionärin gesucht.
    Ihre Klassenlehrerin erinnert sich, dass Julia zwar eine gute Schülerin, aber ein ziemlich dreistes Mädchen war. Sie konnte zum Beispiel die Schulkleidung nicht ausstehen und zeigte das auch ganz offen. Die Uniform war allerdings auch wirklich nicht sehr ansprechend. In der ganzen Sowjetunion hatten die Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse die vom Bildungsministerium der UdSSR bestätigte Einheitskleidung zu tragen: die Jungen einen dunkelgrauen Anzug, die Mädchen ein dunkelbraunes Kleid mit weißen Manschetten und weißem Kragen, darüber eine mit Rüschen besetzte schwarze Schürze. Nicht nur Julia, sondern alle Mädchen von Riga bis Wladiwostok hassten diesen Aufzug. Er machte die langen Hälse und knochigen Arme der Teenager noch länger, die Beine dagegen kürzer. Julias mitfühlende Mutter ließ von einer Bekannten ein Kleid für sie nähen, das der Schuluniform ähnelte, aber doch anders war. Die Klassenlehrerin empörte sich darüber und forderte, Julia möge sich kleiden wie alle. Aber das Mädchen setzte sich durch.
    Eine Rebellin mit Sinn fürs Schöne?
    Eine andere Verkleidungsszene erinnert an Bilder aus dem nostalgischen Filmen, wie sie in der Sowjetunion Anfang der Achtzigerjahre in Mode kamen. Im Tschkalow-Park der Stadt führte Julia mit ihrer Freundin Lena bei einem Schulprogramm einen Matrosentanz vor. Die Mutter hatte ihr dafür eigens ein Kostüm geschneidert: ­einen gestreiften Sweater, weite Hosen und eine Matrosenmütze. Lena tanzte das Mädchen, Julia den Burschen. Die Nummer soll großen Erfolg gehabt haben. Besonders bei den männlichen Spaziergängern im Park. Alle schauten nur auf Julia.
    Ein erster Hinweis auf eine Führernatur? Oder der Wunsch, eine Männerkarriere hinzulegen?
    Julia war immer eine sehr gute Schülerin. Was sie sagte, war logisch und klang überzeugend. Kein Festprogramm in der Schule kam ohne sie aus. Manches schrieb und moderierte sie selbst. So erdachte und organisierte sie einen »Abend über die Liebe«. Zum Schulabschlussball schrieb sie auf jeden ihrer Mitschüler für die Wandzeitung einen Vers.
    Hier Auszüge aus einem Schulaufsatz: »Ich liebe den Sport. Besonders gern spiele ich Tischtennis, laufe Schlittschuhe, spiele Volleyball oder Basketball. Ich mag Musik von Bach, Mozart und Strauß. Dazu moderne Gruppen wie die Beatles, Manfred Man [sic], Lad [sic] Zeppelin und andere.«
    Für Tennis und Volleyball begeisterte sie sich allerdings erst in den oberen Klassen.
    Nach dem Fußball auf dem Hof gab es für sie nur noch das Turnen. Als sie es aufgeben musste, war das für sie ein erster schwerer Schicksalsschlag. Denn Julia turnte mit Leidenschaft. Die Gründe lagen auf der Hand: Hier konnte sie die beiden wichtigsten Seiten ihres Wesens voll ausleben – den Drang nach Bewegung und maximaler körperlicher Verausgabung zugleich mit ihrem Wunsch, die Schönste zu sein. Wenn sie graziös am Balken turnte, waren die furchtlose Fußballerin und die Tänzerin im Matrosenkostüm miteinander versöhnt.
    Vorbilder, die ihren Ehrgeiz anstachelten, gab es zur Genüge.
    Da war vor allem Olga Korbut, die die ganze Sowjetunion liebte und die Presseleute das »Wunder mit Zöpfchen« tauften. Mit acht Jahren betrat Olga zum ersten Mal eine Turnhalle. Sie war die Kleinste in
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