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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders
Autoren: Paul Moor
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daß die Eheleute Bartsch sich damals nach einem Kind sehnten, besonders Gerhard Bartsch. Als er kurz nach dem Kriege Dänemark besuchte, brachte er von dortein Paar kleine Lackschuhe mit, obwohl kein Kind unterwegs war.
    Kurz nach der Entbindung der Kriegerwitwe Sadrozinski mußte die spätere Adoptivmutter Gertrud Bartsch in dieselbe Klinik, wo eine «Totaloperation» alle Wünsche nach eigenen Kindern zunichte machte. Sie und ihr Mann lernten in dieser traurigen Zeit den kleinen blonden Jürgen (damals noch Karl-Heinz) kennen. Das Baby befand sich in einer Phase, über die René A.   Spitz ausführlich geschrieben hat; solche verlassenen Kinder «entwickeln sich zuerst rascher und sind kontaktfähiger als andere, bis sie dann, wenn die dauernde mütterliche Zuwendung fehlt und die Notreserven des Kleinkindes erschöpft sind, zurückfallen hinter diejenigen, die sich in der mütterlichen Wärme Zeit lassen konnten mit der Entfaltung ihrer Bildungsfähigkeiten.»
    Nach elf langen Monaten dieser pathogenen Existenz – fast das ganze, nie kompensierbare erste Jahr – kam das Kind, jetzt Jürgen genannt, zu den Adoptiveltern Bartsch. Jedem, der Frau Bartsch näher kennt, fällt sie als «Putzteufel» auf. Kurz nach der Verpflanzung aus dem Krankenhaus in sein neues Zuhause wurde das anomal früh auf «sauber» dressierte Baby rückfällig, und das erfüllte Frau Bartsch mit Ekel.
    Bekannte der Familie Bartsch sahen damals, daß das Baby immer wieder Blutergüsse aufwies. Frau Bartsch hatte jedesmal eine neue Erklärung für die häßlichen dunklen Flecken, aber ihre Erklärungen wirkten wenig überzeugend. Mindestens einmal während jener Zeit hat der bedrückte Vater Gerhard Bartsch einem Freund bekannt, daß er eine Scheidung erwäge: «Sie schlägt das Kind so, ich ertrage es einfach nicht mehr.» Ein anderes Mal, als er sich eilig verabschiedete, entschuldigte sich Herr Bartsch mit der Begründung: «Ich muß nach Hause, sonst schlägt sie mir das Kind tot.»
    In Anne-Eva Braunecks Buch
Allgemeine Kriminologie
liest man: «Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Junge schon in seiner Bindungsfähigkeit beeinträchtigt, als er mit elf Monaten zum erstenmal die Gelegenheit zu einer stabilen menschlichenBeziehung bekam; allermindestens mußte dieser letzte Wechsel ihn verstören. Zur Entwicklung seiner Bindungsfähigkeit hätte es darum einer außerordentlich warmherzigen und großzügigen Mutter bedurft, statt einer so eingeengten Frau wie Frau Bartsch, die nicht mehr jung war, nie eigene Kinder gehabt hatte, sich für kinderlieb hielt, weil sie sich in einen Engel verliebt hatte, und einen schweren Schock erlitt, als er sich als kleines Menschentier mit einem lebhaft tätigen Unterleib entpuppte. Dies Erlebnis war für Frau Bartsch vermutlich eine wirkliche Bedrohung.»
    Aus der Perspektive des Psychoanalytikers schreibt Franz Alexander: «Das erste Verbrechen, das alle Menschen ausnahmslos begehen, ist die Übertretung der Reinlichkeitsgebote. Und unter dieser Herrschaft der Kriminaljustiz der Kinderstube lernt der Mensch die Repressalien der Umwelt gegen seine ursprünglichen Triebregungen zum ersten Male kennen. Mit Recht spricht Ferenczi von der
Sphinktermoral
als dem Anfang und der Grundlage jeglicher Moral. Für gewisse unzugängliche Kriminelle, die in einer trotzigen Ablehnung der Sozietät verharren, könnte das Vorbild ein auf seinem Töpfchen thronendes Baby sein, das allen Beeinflussungen einen unzugänglichen Widerstand entgegensetzt und triumphierend sich in dieser souveränen Situation dem Erwachsenen überlegen fühlt. In dem Augenblick, wo das Kind zum ersten Male die Hemmungstätigkeit seines Sphinkters selbständig vornimmt, hat es den ersten entscheidenden Schritt zur Anpassung an die Umwelt getan. Es hat in einem Teil seiner Persönlichkeit eine Hemmungsinstanz aufgerichtet, die von dem übrigen Teil seiner Persönlichkeit verlangt, was bisher die Außenwelt von ihm verlangt hat   … Auch Störungen dieses Anpassungsvorganges können die Grundlage für Störungen in der echten sozialen Anpassung werden, da diese Reinlichkeitsdressur für spätere Triebeinschränkungen vorbildlich wird.»
    «Die von Freud, Jones und Abraham beschriebenen analen Charakterzüge enthalten in ihren Übertreibungen einen großen Teil der dissozialen und kriminellen Eigenschaften. Der Ausdauerund Beharrlichkeit, diesen Sublimierungsergebnissen des infantilen analen Trotzes entspricht in ihren asozialen
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