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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
Autoren: Henning Mankell
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traurig werden. Als er um eine Straßenecke biegt, kommt ihm plötzlich der alte Maurer in seinem Laster entgegen. Joel bleibt stehen und winkt. Aber der alte Maurer bemerkt ihn nicht. Joel schaut den roten Rücklichtern nach, die wie Tieraugen in der Dunkelheit leuchten.
    Papa Samuel schnarcht in seinem Zimmer, und Joel zieht sich schnell aus und kriecht ins Bett.
    Träumt er vom Meer, denkt er. Träumt er von Mama Jenny oder von Sara? Oder träumt er von mir? Er schaut auf den Wecker. Die Zeiger leuchten im Dunkeln. In vierundzwanzig Stunden wird er über die Eisenbrücke klettern. Auf einem ihrer Bogen wird er hinaufrutschen, und an der höchsten Stelle wird er sich aufrichten, den Hosenschlitz öffnen, Ture von Svala auf den Kopf pinkeln und dann wieder runterrutschen. Er wird Ture von Svala zeigen, wie man eine Brücke besiegt. Dann kann er von hier abhauen, und er wird nie wieder behaupten, Joel Gustafson sei feige gewesen. Was hat er noch gedacht, als er ihn zum erstenmal beim Felsblock am Fluß gesehen hat? Daß es ein unangenehmer, höhnisch grinsender Fremder war? Jemand, auf den er sofort wütend wurde? Aber jetzt wird er es ihm zeigen. Jetzt soll er mal sehen.
    Über die Eisenbrücke zu klettern ist gefährlich, denkt er. Es ist verboten, weil es gefährlich ist. Plötzlich bekommt er Angst. Was hat er da eigentlich versprochen? Ob ihm was einfällt, damit er nicht klettern muß? Die einzige Möglichkeit wäre, die Heckenschere zu nehmen und die Zweige abzuschneiden, die an der Wand der Nasenlosen hochranken.
    Aber das kann er nicht. Er würde es niemals ertragen, sie noch einmal die Tür öffnen und barfuß auf der kalten Treppe stehen zu sehen.
    Die Müdigkeit überrollt ihn in Wellen. Es ist noch lange bis zum Morgen, denkt er, so viele Sekunden, die kann ich gar nicht zählen…
    Am nächsten Tag schläft Joel wieder in der Schule ein, aber er wird so schnell wieder wach, daß Frau Nederström es gar nicht merkt. Seine Augenlider sind so schwer, daß er den Kopf in die Hände stützen und die Lider mit den Fingern offenhalten muß.
    Als die Schule zu Ende ist, läuft er nach Hause. Er stellt sich den Wecker und geht ins Bett. Eine Stunde kann er noch schlafen, ehe es Zeit ist, Feuer im Herd zu machen. Aber obwohl er so müde ist, kann er nicht schlafen. Ihm ist, als stände er schon vor der Brücke und schaute hinauf. Sie wird größer und größer vor seinen Augen. Schließlich scheinen die Brückenbogen zwischen den Wolken zu verschwinden.
    Da richtet er sich jäh auf. Jetzt weiß er, daß er es nicht kann.
    Wenn er von der Brücke fällt, ist er tot. Genau wie Evert, der unter einen Baum geraten ist. Aber was soll er tun?
    Das einzige, was ihm einfällt, ist, heute nacht nicht rauszugehen. Überhaupt nicht mehr rauszugehen, bis Ture hier abgehauen ist.
    Aber was hatte er noch gesagt? Er wollte hier nicht weggehen, bis Joel über die Brücke geklettert war?
    Ist es wirklich so gefährlich, über die Brücke zu klettern? Wenn er sich nur gut festhält und nicht nach unten guckt? Er ist doch immer ein guter Kletterer gewesen. Noch nie ist er von einem Baum gefallen, noch nie ist ihm schwindlig geworden.
    Klar trau ich mich, sagt er zu sich selbst und stößt die ängstlichen Gedanken beiseite. Die Gedanken haben Angst, nicht ich…
    Als Papa Samuel nach Hause kommt, sind die Kartoffeln fertig. Papa Samuel ist erkältet. Er hustet und friert, und er glaubt, er hat Fieber. Gleich nach dem Essen kriecht er ins Bett. Joel bringt ihm eine Tasse Kaffee.
    Plötzlich beginnt Papa Samuel zu sprechen. »Joel«, sagt er, »sobald du mit der Schule fertig bist, ziehen wir hier weg. Wir ziehen irgendwohin, wo es einen Hafen gibt. Ich halte diese Wälder nicht mehr aus. Ich muß das offene Meer sehen. Sobald du mit der Schule fertig bist, hauen wir ab.«
    Noch drei Jahre, denkt Joel, nur noch drei Jahre!
    Er springt auf und setzt sich rittlings auf Papa Samuel.
    »Ganz bestimmt?« sagt er. »Wirklich?«
    Papa Samuel nickt. Ja, es ist wahr.
    »Aber du bist mir zu schwer, ich kann dich so nicht halten«, sagten Joel setzt sich wieder auf die Bettkante. Er hat so viele Fragen. Welches Meer? Welche Stadt? Nur noch drei Jahre…
    »Ich muß ein bißchen schlafen«, sagt Papa Samuel. »Ich glaub, ich hab Fieber.«
    Er schließt die Augen, und Joel geht hinaus und setzt sich in die Fensternische. Ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre. Er versucht sich auszudenken, wie er drei Jahre dazu bringen kann, so schnell wie möglich zu
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