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Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und die Wilde 13

Titel: Jim Knopf und die Wilde 13
Autoren: Michael Ende
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tauchte eine Ahnung
auf, aber sie wagten noch nicht, sie auszusprechen.
    Der ganze Kontinent stieg nach der
Mitte zu sanft an, und auf der höchsten Stelle war nun immer deutlicher ein
winzig kleiner Berg zu erkennen, ein Berg, der zwei ungleiche Gipfel hatte,
einen hohen und einen, der etwas niedriger war. Und dazwischen, klein wie ein
Stecknadelkopf, stand ein Schloß. Und ein bißchen unterhalb, dieses winzige
Farbtüpfchen — das war doch der Kaufladen von Frau Waas! Und dicht dabei lag
die kleine Bahnstation. Und dort glänzte etwas Eisernes in der Sonne! Etwas
Lokomotivförmiges! Etwas Emmaartiges! Kein Zweifel, Lummerland war nur die
oberste Spitze dieses herrlichen großen Landes gewesen, die gerade eben noch
über den Meeresspiegel herausgeragt hatte. Und nun lag es mitten in dem weiten,
wunderbaren Reich, das so lange in den Tiefen des Ozeans verborgen gewesen, und
das in dieser Nacht aufgetaucht war und jetzt in der ersten Morgensonne
erglänzte: Jamballa!
    Die beiden Freunde ließen ihre
Fernrohre sinken und blickten sich an.
    „Jim!“ sagte Lukas.
    „Lukas!“ stammelte Jim.
    Und dann fielen sie sich in die Arme
und brachten lange kein Wort mehr hervor.
    Die zwölf Brüder standen um sie herum,
und auf ihren wilden, zerfurchten Gesichtern lag zum erstenmal ein sanftes,
frohes Lächeln. Immer näher kam das Schiff mit den perlen- und spitzenverzierten
bunten Segeln der funkelnden Küste, und immer deutlicher waren alle
Einzelheiten nun auch mit bloßem Auge zu unterscheiden. Neben Lummerland stand
ein Wäldchen von Korallenbäumen, die mit ihren Ästen und Wipfeln ein noch viel
kleineres Stückchen Land stützten, das in der Luft schwebte. Das war
Neu-Lummerland, die ehemals schwimmende Insel. Dort stand das kleine Flaus mit
den grünen Fensterläden.
    „He, Brüder!“ rief plötzlich Nikolo
überrascht. „Dieses Land scheint ja von erstaunlichen Leuten bewohnt zu sein!“
    In diesem Augenblick war nämlich Herr
Tur Tur aus seiner Hütte getreten und blickte sich äußerst verwundert um. Aus
dieser Entfernung gesehen, ragte seine Gestalt meilenhoch in den Himmel hinauf.
Und daß die ehemaligen Seeräuber, die den Scheinriesen ja noch nicht kannten,
keinerlei Furcht zeigten, bewies nur einmal mehr, was für kühne Burschen sie
waren.

    Lukas und Jim erklärten den Brüdern,
was für eine Bewandtnis es mit diesem sonderbaren alten Mann hatte, und daß sie
ihn als Leuchtturm nach Lummerland geholt hatten. Und wenn es den zwölfen
möglich gewesen wäre, ihren schwarzen Prinzen und seinen Freund noch mehr zu
bewundern, dann hätten sie es jetzt getan. Inzwischen hatten sie die Küste
erreicht und gingen in einer lieblichen kleinen Bucht vor Anker. Die
edelsteinernen Felsen bildeten einen natürlichen Hafen mit einer regelrechten
Kaimauer, so daß vom Deck des Schiffes aus mit einem Schritt das Land zu
erreichen war.
    Und nun war der große Augenblick
gekommen, an dem Jim Knopf, jetzt Prinz Myrrhen, der letzte Nachkomme des
Heiligen Dreikönigs Kaspar mit dem dunklen Antlitz, den Fuß auf den Boden des
uralten, neuerrungenen Landes Jamballa setzte.
    „Ich schlage vor“, sagte Lukas, und seine
Stimme klang beinahe feierlich, „daß zum ewigen Gedenken an diesen großen Tag
das Land nicht mehr Jamballa genannt werden soll, sondern J i m b a l l a!“
    Das fanden alle sehr schön, und so
erklärte Jim:
    „Von heute an heißt es J i m b a l l
a!“
    Mit diesen Worten ergriff er von seinem
rechtmäßigen Königreich Besitz. Jetzt gehörte es wirklich und für immer ihm.
    Danach machten sie sich auf den Weg
nach Lummerland, das in der Mitte des Reiches lag. Es war ein langer Weg, denn
Jimballa war sehr groß. Und sie gingen nicht schnell, denn die Gegenden, durch
die sie kamen, entzückten sie immer aufs neue. Noch war alles so, wie es auf
dem Meeresgrund gewesen war. Korallenwälder begegneten ihnen, und der Boden war
mit Perlmuttermuscheln bedeckt. Gras und grüne Bäume gab es noch nicht, aber
sie würden nicht lange auf sich warten lassen, denn das Meer hatte den Grund
sehr fruchtbar gemacht in den über tausend Jahren, die er dort unten in der
Tiefe geschlummert hatte.
    Und dazwischen türmten sich immer
wieder Berge und Felsen aus blauen, roten und grünen Edelsteinen. Die Schätze
der Seeräuber, die noch in dem Schiffsrumpf verstaut lagen, verblaßten völlig
gegen den Reichtum dieses Landes.
    Endlich erreichte der Zug, mit Jim und
Lukas an der Spitze, die Landesgrenze von Lummerland, die nun
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