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Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab

Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab

Titel: Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab
Autoren: Malte Leyhausen
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Pokergesicht zu wahren? Das Geheimnis ist ein genialer
     Taschenspielertrick. Sobald sich die Erledigung der lästigen Pflicht am Horizont abzeichnet, macht sich Unbehagen breit. Im Kopf wird die Parole
     ausgegeben: Ich habe keine Lust.
    Das einzige, was den Aufschieber jetzt noch zum Handeln bewegen könnte, wäre ein Blick auf die drängende Zeit. Aber so weit lässt er es nicht
     kommen. Um Zeit zu gewinnen, bedient er sich der mentalen Magie. In der Schiebe-Trance sieht er die Aufgabe vor seinem geistigen Auge durch ein
     Verkleinerungsglas. Der nötige Aufwand erscheint ihm plötzlich ganz winzig. »Das schaffe ich an einem Wochenende«, oder: »Das ziehe ich zur Not in einer
     Nachtschicht durch …«, sind typische Einschätzungen.
    Die verbleibenden Tage und Stunden sieht der Schiebende hingegen durch ein Vergrößerungsglas. Simsalabim, und die Illusion ist perfekt. Der Termindruck
     verwandelt sich in alle Zeit der Welt und das aufwändige Vorhaben in eine lächerliche Routine.
    Hoch pokern die Illusionisten ebenfalls, wenn sie auf den richtigen Moment warten, um eine Aufgabe zu beginnen. »Morgen fange ich an. Ich bin
     jetzt nicht in der richtigen Stimmung. Ich muss vorher noch so viele andere Dinge erledigen …«, beginnt das ungeschriebene Glaubensbekenntnis der
     Schiebenden.
    Aber der Aufschieber fängt morgen nicht an. Vielmehr beherrscht er den Kunstgriff, dafür zu sorgen, dass aus dem Morgen kein Heute wird. Denn morgen
     gibt es auch ein Morgen. Und so weiter.
    Der passende Zeitpunkt, um anzufangen, wird vom Termin-Pokerer wie das beste Blatt im Kartenstapel erwartet. Obdieses Blatt bereits
     ausgespielt ist oder noch kommt, ist ungewiss. Für den Fall, dass man mit dieser Hoffnung keine Stiche macht, erwischt man eben nicht den besten Moment,
     sondern den letzten. Und beim nächsten Mal? Neues Spiel, neues Glück.
    Außerdem: Wozu braucht ein Illusionist schon Zeit? Mit dem Rücken zur Wand hat man in der Vergangenheit fast immer etwas aus dem Hut gezaubert.
    Aber wie lange wirkt die Illusion? Wie rettet sich der Aufschieber, wenn er die Leistung nicht zum vereinbarten Termin liefern kann? Hier verfügt der
     Aufschiebe-Profi über faszinierende rhetorische Fähigkeiten, um die Leistungslücken verbal aufzufüllen.
    Der Auftraggeber wird bereits bei der Terminabsprache virtuos mit Wortgirlanden umwickelt. Statt »Montag« gibt es nur vage den »Anfang nächster
     Woche«. Statt dem »15.07.« gibt es die dehnbare »Mitte Juni /Julei«. Und statt »bis September« macht man es pünktlich »bis Herbst.«
    Auch bei der Präsentation der Ergebnisse darf man sich auf sprachliche Delikatessen freuen. Der übernächtigte Lieferant arbeitet »just in time« und
     liefert statt fertiger Ergebnisse überraschende »Diskussionsgrundlagen«. Er trumpft »absichtlich mit Platzhaltern« auf, um möglichst flexibel auf
     Anregungen und Wünsche reagieren zu können.
    Der sprachliche Geheimcode der Aufschieber dient gleichzeitig den Gleichgesinnten als Erkennungszeichen. Die Schieber haben sehr feine Antennen dafür,
     wer zur Community gehört und wer nicht. Wenn sich herausstellt, dass der Auftraggeber aus dem »gleichen Verein« ist, darf er das nächste Mal noch länger
     warten …
    Kommen wir nun zur Königsdisziplin der Aufschieber. Der Chaos-Produktion. Sie beherrschen das Chaos nicht nur meisterhaft, sondern sie stellen es sogar
     noch selber her. Wo hat denn das Chaos heute noch so eine Qualität? Mit so vielLiebe zum Detail? Mit so einer Haltbarkeit? Man könnte
     glatt sagen, das Premium-Chaos der Schiebe-Profis hat Regierungs-Niveau.
    Aber was ist das Erfolgsrezept? Ein gutes Chaos will von langer Hand geplant sein. Man muss schon darauf achten, jede Form von ernst zu nehmender
     Selbstorganisation zu vermeiden. Das fängt mit dem zuverlässigen Zuspätkommen an, geht über die gut eingeführte Unordnung und hört mit der schlechten
     Vorbereitung für Meetings auf.
    Der Aufschieber kontert seinen Ruf als Chaot und unsicherem Patron, indem er seinen Lebensstil zum Gesamtkunstwerk erhebt. Das reduziert zwar nicht die
     Reibungspunkte mit Freunden, Verwandten und Kollegen. Es erlaubt ihm aber, von seiner Wolke aus mit dem Finger auf die Schwächen anderer zu zeigen.
    Schärfen wir also die Kompetenzen der liebenswerten Zeit-Gauner zu einem Profil.
    Aufschieber sind:
Intelligente Strategen , die das Unmögliche in origineller Form möglich machen.
Multi-tasking-fähig : Sie können mehrere
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