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Jetzt Reichts Mir

Titel: Jetzt Reichts Mir
Autoren: Barbara Berckhan
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den Mund auf und sagen Sie deutlich, dass Sie mit dem Ganzen nicht einverstanden sind.
    Bevor ich jetzt zu der Frage komme, wie man eine Störung am besten anspricht, möchte ich mich einer speziellen Sorte von Menschen zuwenden. Es geht um die Harmoniebedürftigen. Das sind die Zeitgenossen, die theoretisch wissen, wie man ein kritisches Feedback gibt. Die das aber praktisch nicht tun.
    Das liegt nicht daran, dass diese Leute nicht reden könnten oder schüchtern sind. Nein, die meisten der Harmoniebedürftigen können sogar ausgesprochen gut mit anderen Menschen reden. Ihre Hemmungen liegen woanders. Um das genauer zu untersuchen, bitte ich Sie, mir kurz zu folgen. Mit den Harmoniebedürftigen kenne ich mich gut aus. Denn ich gehöre auch zu diesen friedliebenden Zeitgenossen.

Harmoniebedürftig oder die Angst, mit der Kritik anzuecken
    Als Harmoniebedürftige möchten wir das, was uns stört, am liebsten loswerden, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Wir möchten über das, was uns nervt, nicht reden. Jedenfalls nicht direkt mit denen, die uns nerven. Sich hintenrum bei Dritten beklagen, das geht noch. Aber den Nervbolzen direkt konfrontieren? Nein, bitte nicht.
    Wir wollen, dass alle sich gut verstehen und dass nichts diesen Frieden stört. Wir wollen uns nicht streiten. Wir wollen nichts kritisieren und auch nicht kämpfen. Wir wollen nur eins: mit allen unseren Mitmenschen gut auskommen.
    Manchmal werden wir auch harmonie süchtig genannt, aber der Begriff der Sucht erscheint mir zu hart. Das friedliche Miteinander in netter Atmosphäre – das ist ein wichtiges Bedürfnis für uns. Ein dringendes Bedürfnis. Aber sind wir deshalb schon süchtig? Nein, wir sind nicht süchtig. Wir sind Könner. Wir haben eine große Kompetenz.
    Als Harmoniebedürftige sind wir wahre Meister/innen in der Kunst der Entspannungspolitik. Wir können Frieden schaffen ohne Waffen. Mit ein paar humorvollen Worten besänftigen wir beispielsweise die Streithähne am Frühstückstisch. Mit einer einfühlsamen Ansprache beruhigen wir den gereizten Chef. Unsere gute Laune überdeckt die muffelige Stimmung im Büro. Wir finden nette Worte, um anderen aus einer peinlichen Situation zu helfen.
    Wir sind die wandelnden emotionalen Klimaanlagen. Wir filtern
ständig dicke Luft und verbreiten Wohlgefallen. Und dabei fallen wir niemandem zur Last. Was für eine Leistung!
    Für einen harmoniebedürftigen Menschen ist es wichtig, Folgendes zu lernen: dicke Luft auszuhalten, ohne gleich alles wieder auszubügeln. Nein zu sagen, ohne sich dafür zu entschuldigen.
    Ich meine, jedes Büro, jede Firma braucht solche wandelnden Klimaanlagen. Wenn die fehlen, wird es eisig. Und ich bin auch der Meinung, dass die harmoniebedürftigen Mitarbeiter /innen für ihre täglichen Entspannungsbemühungen einen Sonderzuschlag auf ihr Gehalt verdienen.
    Ja, ich finde, Harmoniebedürftigkeit ist keine Schande, sondern ein Vermögen.

Das explosive Hobby der Rabattmarkensammler
    Jetzt schauen wir uns das leichte Defizit an, das wir leider auch haben: Wir können schlecht sagen, was uns stört. Nein, das stimmt nicht ganz. Wir können sagen, was uns stört. Wir können andere kritisieren. Wir tun es nur nicht. Wir fürchten, mit unserer Kritik anzuecken. Wir glauben, die schöne Stimmung sei hinüber, wenn wir laut aussprechen, was uns stört. Für uns ist ein kritisches Feedback die Vorstufe zum Streit. Die Zerstörung der Harmonie. Der Beginn der Trennung.

    Wir glauben, dass wir uns mit einer direkten Kritik auf jeden Fall unbeliebt machen. Und deshalb halten wir lieber den Mund. Unser Schweigen wäre kein Problem, wenn da nicht eine einfache Tatsache wäre. Und die lautet: Wir sind nicht mit allem und jedem einverstanden. Wir sind von bestimmten Leuten genervt. Uns stört etwas.
    Sprechen Sie eine Störung frühzeitig an. Wenn Sie das zu lange vor sich her schieben, wird es für Sie immer schwerer.
    Unser tiefes Bedürfnis nach Harmonie macht uns zu potenziellen Rabattmarkensammlern. Rabattmarken sammeln – das klingt vielleicht harmlos, ist aber ein durchaus explosives Hobby.
    Wenn Sie, wie ich, ein wenig harmoniebedürftig sind, kennen Sie das, was jetzt kommt.
    Beim Rabattmarkensammeln geht es nicht um die Bonuspunkte, die wir beim Einkaufen bekommen und die wir irgendwann in ein Salatbesteck umtauschen können. Nein, hier geht es um seelische Rabattmarken. Das sind all die kleinen Störungen, die uns nerven, die wir aber nicht ansprechen.
    Wir
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