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Jessica

Jessica

Titel: Jessica
Autoren: Linda Lael Miller
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Traurigkeit in ihr aufstieg.
    Nach einer kurzen Zeit des Nachdenkens entschied sie sich dafür, Entgegenkommen zu zeigen. Es war immerhin möglich, dass Mr. Calloway es gut meinte, auch wenn das wenig wahrscheinlich war. »Ich bin mir sicher«, sagte sie deshalb, »dass Sie nur versuchen wollen, mir zu helfen.«
    Gedankenvoll nipp te sie an ihrem Kaffee, der mit tlerweile kalt geworden war, und ihre nächsten Worte waren sorgfältig geplant. »Ich habe vor, die Zeitung selber weiterzuführen«, sagte sie. »Vorausgesetzt, dass Michael sie mir vermacht hat, natürlich.« In dieser Annahme fühlte sie sich sicher, weil Gage ihr sonst bestimmt kein Angebot dafür unterbreitet hätte.
    Er sah ehrlich erstaunt aus und machte sich nicht einmal die Mühe, auf ihre Ankündigung zu antworten. »Sie wollen nicht nach St. Louis zurückkehren?«, fragte er. Jessica wusste nicht, ob ihn das freute oder enttäuschte, aber er war offensichtlich erstaunt. Wahrscheinlich war es ihm egal, ob sie blieb oder nicht, solange er bekam, was er wollte. »Ihr Bruder hat mir gesagt...«
    »Es ist mir egal, was mein Bruder Ihnen gesagt hat!«, fiel Jessica ihm ins Wort. Das stimmte nicht; sie hätte es sehr gerne gewusst, aber sie war müde bis auf den Grund ihrer Seele und hatte nicht mehr die Energie, die Sache weiterzuverfolgen. »Ich bleibe hier, in Springwater.«
    Vor dem Ärger mit Mr. Covington hatt e Jessica ihre Arbeit in St. Lo uis genossen, nicht nur, weil sie gut bezahlt war, sondern auch, weil sie ihre beiden Schützlinge sehr gemocht hatte. Doch die Kinder wuchsen schnell und würden bald zur Schule gehen - Susan in die Schweiz und Freddy in England -, wo sie natürlich keine Gouvernante mehr brauchten. Sie hätte sie ohnehin bald verlassen müssen.
    Außerdem hatte sich Jessica immer eigene Kinder gewünscht, und nun hatte sie sie, auch wenn es ihre Nichten waren und nicht ihre Töchter. »Dieser Dr. Parrish«, begann sie und hielt alle Emotionen sorgfältig im Zaum. »Hat er sich um meinen Bruder gekümmert? Als - als es zu Ende ging, meine ich?«
    »Ja, Ma’am«, bestätigte Calloway. Er sah leicht grimmig drein, hatte seinen Hut aufgehoben und drehte ihn jetzt langsam in den Händen. »Es gibt keine bessere ärztliche Hilfe hier in Springwater. Pres hat alles getan, was er konnte, um Michael zu retten, aber er war wirklich krank. Das Fieber hat ihn praktisch dahingerafft.«
    Jessica schloss die Augen und versuchte, die Vorstellung zu verdrängen, wie ihr Bruder seinen letzten Atemzug tat; aber dieses Bild hatte sich ihr unauslöschlich eingeprägt, und sie konnte ihm nicht entkommen. Gerne wäre sie an Michaels Stelle gestorben, aber diese Wahl hatte sie nicht gehabt.
    »Ich würde gerne mit dem Arzt sprechen«, sagte J essica schließlich, als sie sich wieder in der Gewalt h atte und sich sicher war, nicht schluchzend zusammenzubrechen, wie sie es gestern getan hatte. »Ich habe ein paar Fragen zu Michaels Tod. Und natürlich auch zu Victorias. Ich nehme an, dass dieser Dr. Parrish auch sie behandelt hat?«
    Der Bürgermeister von Springwater sah sie aus schmalen Augen an, als wolle sie den Ruf des Arztes anzweifeln, der ganz offensichtlich sein Freund war. »Wie ich schon sagte, es gibt weit und breit keinen besseren Arzt als Pres.«
    In dem Moment kam Alma zurück. »Ich bin mir sicher«, klagte sie, »dass diese beiden armen Würmchen wissen«, - sie unterbrach sich um des Effekts willen - »dass sie keine Mutter und keinen Vater mehr haben.«
    Jessica sah Gage mit festem Blick an. »Sie haben mich«, betonte sie und erhob sich würdevoll aus ihrem Stuhl. Wahrscheinlich würde sie viele Fehler machen, aber die Kinder waren ihre Verwandten, und sie liebte sie jetzt schon mit jeder Faser ihres Herzens. »Ich glaube, wir sollten Sie nicht länger aufhalten, Mr. Cal loway « , sag te sie dann. »Sie haben sicher noch viel zu erledigen. «
    Weil Jes sica sich erhoben hatte, musste Mr. Calloway das notgedrungen auch tun. Jessica erkannte, dass sein Gesichtsausdruck wieder nichts verriet. Er ist Anwalt, ermahnte sie sich, und kennt sicher eine Menge krummer Tricks.
    »Wenn es irgend etwas gibt, was ich für Sie tun kann«, erwiderte Calloway und sah Jessica an, aber sie hatte den Eindruck, dass seine höflichen Worte Alma galten, »dann lassen Sie es mich wissen. Die Leute in Springwater kümmern sich umeinander.«
    Wieder errötete Alma leicht, und für einen kurzen Moment sah Jessica das hübsche, reizvolle Mädchen vor sich,
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