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Jessica

Jessica

Titel: Jessica
Autoren: Linda Lael Miller
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hatte, dann stimmten die beiden Männer wohl auch hierin überein.
    Alma verschwand in der Küche, und Jessica deutete steif auf einen der Sessel, die dem kleinen Kamin zugewandt waren.
    Sie musste sich und ihren Nichten ein Heim in Springwater schaffen, und wenn die Gazette aufblü hen sollte, brauchte sie das Wohlwollen der Stadtbewohner. Also würde sie jeden so höflich behandeln wie möglich - diesen Mann eingeschlossen, egal, wie schwer ihr das fiel.
    »Setzen Sie sich doch, Mr. Calloway«, forderte sie ihn trocken auf. Er bewegte sich mit einer Anmut, die zu einem indianischen Krieger oder zu einem Panther gepasst hätte. Innerlich kochte sie vor Wut, wenn sie sic h vorstellte, was er ihrem Bruder angetan hatte.
    Gage lächelte, als wären sie die besten Freunde - oder noch besser: er grinste jungenhaft -, zögerte aber. »Nach Ihnen.«
    Jessica ließ sich in den zweiten Sessel sinken, und ihre stille Wut wurde von einem Gefühl tiefen Schmerzes verdrängt. Michael und Victoria hatten sicher oft so vor dem Kamin zusammengesessen, um ihr glückliches Leben in Springwater zu planen. Sie hatten davon geträumt, die Wochenzeitung zu einer Tageszeitung zu machen, sich ein großes Haus zu bauen und es mit Kindern zu füllen. In mehr als einem Brief hatte Michael Springwater idyllisch genannt, auch wenn es nach dem, was Jessica bislang gesehen hatte, nicht mehr war als eine Ansammlung einfacher Häuser, die sich mitten in der Wildnis zusammenduckten wie W il dpferde, die Schutz vor dem Wind suchten.
    Die Babys hatten sich inzwischen beruhigt, und Jessica bedauerte es fast, denn sonst hätte sie einen guten Grund gehabt, sich zu entschuldigen und das Gespräch mit diesem unvorhergesehenen und höchst unerwünschten Gast Alma zu überlassen.
    Sobald Jessica Platz genommen hatte, nahm sich auch Gage einen Stuhl und sah schweigend ins Feuer. Jessica begann gerade zu hoffen, dass er sich vielleicht nicht unterhalten wollte, als er sich ihr zuwandte und sagte: »Ihr Bruder war ein guter Mann und ein Gewinn für unsere Gemeinschaft. Wir haben ihn und Victoria alle sehr gerne gehabt.«
    Das war natürlich eine glatte Lüge. Sie hatte Michaels Kommentare gelesen. Dieser Mann konnte ihn gar nicht gemocht haben.
    Wieder drohte Jessica in Tränen auszubrechen. Sie konnte gar nicht sagen, wie sehr sie die Tränen leid war, denn in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte sie mehr Tränen vergossen als in ihrem ganzen Leben - und gerade Mr. Calloway sollte nicht Zeuge ihrer Schwäche werden. Jessica hob das Kinn. »Ja«, stimmte sie zu, »Michael war ein wundervoller Mensch und Victoria der Mittelpunkt seines Lebens.«
    In diesem Moment kam Alma mit einem Tablett zurück, auf dem drei Tassen und eine dampfende Kanne standen, und Mr. Calloway sprang sofort auf, um mit einer geschmeidigen Bewegung das Tablett aus Almas schwachen in seine starke Hände zu nehmen. Jessica errötete leicht, denn wieder war es ihr, als würde sich der Boden unter ihr öffnen; rasch wandte sie den Blick von seinen Händen, um sich wieder zu fassen.
    Dann sah sie Gage mit schmalen Augen an. Erschöpft von ihrer Reise in der unbequemen Postkutsche, den Babys und dem Kummer hätte sie sich am liebsten hingelegt, um einen Monat lang nur zu schlafen und dann einen weiteren zu weinen.
    Es gab eine kurze Pause, als Mr. Calloway einen weiteren Stuhl herbeiholte. Jessica beobachtete diese Schau von Höflichkeit mit steifem Rücken. Sicher würde er nicht lange bleiben, sagte sie sich. Bald würden er und die seltsame Elektrizität, die von ihm ausging, wieder verschwunden sein.
    »Ich nehme an, dass Sie die Zeitung verkaufen und nach Hause zurückkehren wollen«, sagte der Bürgermeister, nachdem eine seiner Meinung nach taktvolle Pause vergangen war. Dass er trotz Michaels Kampagne die Wahl gewonnen hatte, war ein weiterer P unk t der Jessica wurmte. Gage sah lange in seine Kaffeetasse und hob dann die Augen, um Jessica mit seinem magischen Blick anzusehen. »Es mag noch zu früh sein, um die Sache anzusprechen, Ma’am - und vergeben Sie mir, wenn ich Sie damit verletze aber ich bin bereit, Ihnen ein sehr großzügiges Angebot für das alles hier zu machen. Eines, das Ihnen und Alma für einige Zeit ein komfortables Leben ermöglichen würde.«
    Jessica warf Alma einen raschen Blick zu, aber die betrachtete den Schnee vor dem Fenster. Wahrscheinlich war es sinnvoll, die Gazette zu verkaufen, aber angesichts des konkreten Angebots lag Jessica plötzlich sehr
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