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Jesses Maria - Hochzeitstag

Jesses Maria - Hochzeitstag

Titel: Jesses Maria - Hochzeitstag
Autoren: Carla Berling
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waren meine Eltern mal in Paris. Unser Vatti hatte unser Mutti zu Weihnachten mit dieser Reise überrascht. Und unser Mutti mochte noch nie Überraschungen.
    Wir trafen uns am Heiligabend immer bei meinen Eltern. Die Kinder hatten die Geschenke schon ausgepackt und ihren Kartoffelsalat mit Würstchen gegessen, und nun saßen sie nebenan vor dem Fernseher und durften den ganzen Abend Videofilme gucken.
    Dann fing traditionell für die Erwachsenen der gemütliche Teil des Festes an. Wir aßen immer Fondue und danach gab es immer Feuerzangenbowle. Aus dem Kupferkessel, stilecht.
    Nach dem Fondue und vor der Feuerzangenbowle war die Bescherung für die Erwachsenen. Wir hatten es so eingeführt, dass einer ein Geschenk auspackte, während die anderen zusahen. Das hatte seinen Sinn, denn früher hatte die Bescherung nur wenige Minuten gedauert: Wenn der Startschuss zum Auspacken gefallen war, stürzten sich alle auf die Päckchen, rissen hektisch eins nach dem anderen auf, Geschenkpapier, Schleifen und Kordeln landeten auf einem Haufen, den unser Mutti ächzend aufhob und mit dem Satz: „Ich weiß gar nicht wohin mit dem ganzen Müll!“ in die Küche trug.
    Irgendwann machte jemand den Vorschlag, alles nacheinander auszupacken. Schließlich rennt man sich wochenlang vorher die Hacken ab, um passende Geschenke ranzuschaffen, und dann ist der ganze Zauber nach ein paar Minutenvorbei.
    Manni war zuletzt sehr schwierig zu beschenken.
    Kurz bevor er bei mir auszog, hatten wir bereits Internet, und er hatte „Online-Shopping“ für sich entdeckt. Weil er es hasste, etwas in der Stadt zu suchen und sich von Geschäft zu Geschäft bei genervten Verkäuferinnen durchzufragen, war er einer der Ersten, die das Internet zum Einkaufen benutzten. Da war er wirklich auf Zack.
    Im letzten Jahr vor unserer Trennung hatte er angefangen zu joggen. Ich hätte schon damals drauf kommen müssen, dass was im Busch war. Der hatte vorher nie Sport getrieben! Und plötzlich kauft er sich Sportschuhe und -hosen und atmungsaktive Shirts und rennt drei Mal die Woche um den Kurpark. Er hatte sich ganz geplant für seinen erotischen Neustart aufgerüstet, da bin ich mir heute sicher.
    In jenem Jahr brauchte er unbedingt dieses besondere Shirt, das er bei Temperaturen von zehn Grad plus bis ein Grad minus tragen musste. Er hatte für jede Jahreszeit und jedes Wetter sein „Equipment“, so nannte er das, aber für genau diese Temperaturen fehlte ihm ein Shirt. Das musste von Adler sein, oder war es Bussard? Weiß ich nicht mehr, die Firma hieß wie ein Vogel, und das Shirt musste unbedingt von dieser Firma sein. In Bad Oeynhausen hatte er bereits alle Sportgeschäfte abgeklappert. Nirgends gab es eins in XXL. „Nur was da hängt!“, hatte er mehrfach gehört, wenn er nach seiner Größe fragte. Meine Güte, war Manni sauer.
    Ich hab dann heimlich Tamara angerufen und sie gebeten, so ein Ding in Köln zu besorgen und Weihnachten mitzubringen.Neunzig Euro kostete das Teil!
    „Tante Maria, wir beide schenken ihm das zusammen, jeder zahlt die Hälfte, okay?“, sagte Tamara. Die Gute. Ja, so machten wir das.
    Nur blöd, dass Manni zwei Tage vor Heiligabend Post vom Internetversand bekam. Er hatte es mal wieder nicht abwarten können und sich das Teil bestellt, weil er es ja unbedingt sofort brauchte. Dabei hatten wir draußen fünfzehn Grad, er konnte es gar nicht anziehen. Bei der Bescherung hat Manni ein saublödes Gesicht gemacht, als er das Ding auspackte. Gönnte ich ihm. Jetzt hatte er das Shirt zweimal. Das macht man doch nicht, sich vor Weihnachten selber was kaufen.
    Das gemeinsame Auspacken haben wir Anfang der Achtziger also abgeschafft, fortan sah jeder gespannt zu, was jeder auspackte. Wenn ich zum Beispiel viel zu teure Bodylotion samt Deo für meine Schwägerin gekauft hatte - und alles extra bei Douglas hatte einpacken lassen, damit man sieht, dass ich keine Kaufhausware verschenke, wusste jeder, dass ich mich großzügig und selbstlos in Unkosten gestürzt hatte. Und wenn ich von meiner Schwägerin zum dritten Mal in Folge einen Stapel Geschirrhandtücher mit Nikolausmuster bekam, wusste jeder, dass die sich mal wieder überhaupt keine Gedanken gemacht hatte.
    Manche Geschenke tauchten öfter auf, die riesige eckige Kuchenplatte aus Bleikristall zum Beispiel, die hat, glaub ich, jeder von uns mal verschenkt. Und die Dreierpackung mit Uralt-Lavendel-Seife und den passenden geblümten Stofftaschentüchernmit Spitzenrand auch.
    Später
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