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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt
Autoren: Audur Jónsdóttir
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würde Hera sie nie wiedersehen.
    Arndís lächelt matt. Danke, Sunna, sagt sie sanft. Fest entschlossen, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, stehe ich auf, will mich schon verabschieden, da klingelt mein Handy. Sie sieht mich an, während ich immer wieder Ja sage. Ich sehe ihr an, dass sie ahnt, worum es in dem Telefongespräch geht.
    Das war die Polizei, sage ich schließlich und stecke das Telefon wieder ein. Sie haben die Männer gefasst, die Verkehrspolizei hat sie aufgegriffen, ihr Auto ist in dem Unwetter liegen geblieben.
    Sie sinkt auf dem Stuhl zusammen. Und was jetzt?
    Keine Ahnung. Ich muss auf jeden Fall eine Aussage machen, bevor sie außer Landes gebracht werden. Ich spüre, wie vorwurfsvoll meine Stimme klingt, als ich den Polizeibeamten zitiere, der gesagt hat, dass die Männer international gesuchte Terroristen seien.
    Doch sie scheint nicht zuzuhören, sie starrt mich nur an und sagt: Nun haben wir ein gemeinsames Geheimnis.
    Ja, sage ich hastig. Deiner Tochter zuliebe. Ich muss jetzt los zur Arbeit. Die Polizei hat mir bis heute Abend Zeit gegeben, meine Aussage zu machen, weil wir im Verlag so viel zu tun haben.
    Während ich rede, spüre ich, wie mich das alles aufregt. Ich verstumme abrupt. Mit dieser Person will ich nichts mehr zu tun haben. Und sie noch viel weniger mit mir.
    Ich verabschiede mich.
    *
    Der Sturm weht mich zurück nach Reykjavík. In meinem Kopf heulende Leere.
    Eine Zeitlang.
    Was sage ich bloß der Polizei?
    *
    Es ist schon fast Mittag, als ich auf meinen Schreibtischstuhl plumpse, Mama anrufe und sie bitte, zu mir zu gehen und auf Helgi aufzupassen, bis der Empfang mit Valgardur beginnt.
    Sie sagt, sie habe Papageientaucher-Fleisch in Milch eingelegt und freue sich schon darauf, es nach dem Workshop bei mir zu Hause zuzubereiten, damit sich die Bohnenstange nicht dauernd mit leerem Magen durch die ganze Stadt schleppt.
    Ich zögere. Axel könnte heute Abend zurückkommen, doch sofort fährt mir ein Zweifel in die Glieder. Wahrscheinlich wird er nicht kommen. Also sage ich: Danke, Mama. Und wende mich der Arbeit zu. Der Computer summt, während meine Finger mechanisch tippen. Draußen lässt der Sturm langsam nach. Fast bin ich schon so weit, Gardar anzurufen und ihm von meinem Treffen mit Arndís zu erzählen, dann beschließe ich, ihr eine Chance zu geben, sie soll zuerst mit ihm sprechen. Sie brauchen ja auch Zeit, um die Polizei von Arndís’ Wiederkehr zu informieren.
    Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich noch mehr in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen. Die Angst vor dem Empfang mit Valgardur rumort in meinem Magen. Was, wenn es ihm nicht passt, dass ich bei diesem Verlag arbeite, dessen Schicksal mehr von seinem Wohlwollen abhängt als von den verlegerischen Entscheidungen zweier trinkfreudiger Sonderlinge. Die Zeiger auf der Uhr scheinen wie aus einer anderen Welt, die Kaffeepause rückt näher.
    Ich befehle mir, jetzt sofort die Schnittchen für den Besuch von Valgardur zu holen, während meine Finger über die Tastatur kriechen und Futura nostra in die Suchmaschine eingeben. Auf den ersten Blick sehe ich nichts außer Presseerklärungen des Unternehmens und Zeitungsberichten über die Pionierarbeit von Dr. Zardari. Es wäre wirklich am besten, das alles zu vergessen, Arndís und ihre Tochter haben es schon schwer genug. Ich erhebe mich und wage mich hinaus in den Tag.
    *
    Stefanía kommt mir entgegengelaufen und nimmt mir die Kartons mit den Schnittchen ab. Dann poliert sie weiter Weingläser für den bevorstehenden Abend, bebend vor Vorfreude. Die Brüder beben mit ihr um die Wette, laufen in der Cafeteria herum und sehen sich nach einem Schuss für ihren Kaffee um. Es kann nichts schaden, die Stimmbänder etwas zu ölen, bevor Valgardur kommt. Alle außer Kjartan wollen ihm huldigen.
    Unwohlsein befällt mich, als ich einen der Kartons mit den Schnittchen öffne. Die dick aufgetragene Mayonnaise ist bereits gelb angelaufen, ich wünsche ihnen einen guten Appetit und stelle die restlichen Kartons in den Kühlschrank. Als ich Kaffee und eine Cognacflasche bringe, haben die Brüder ihre Zigarren bereits angezündet.
    Ich zünde Kerzen an.
    Nehme mir ein Glas Wasser, während sie die erste Runde trinken. Verschwinde an meinen Schreibtisch.
    Trinke das Wasser in kleinen Schlucken und höre zu, wie der Computer summt.
    Ich muss nachdenken. Dringender als je zuvor. Aber meine Gedanken sind wie Eisschollen in einer Gletscherlagune, knarrend und
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