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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt
Autoren: Audur Jónsdóttir
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für Helgi, der zugestimmt hat, zumindest auch etwas Kartoffelbrei mit Sauce zu essen. Es ist schön, sie bei mir zu haben. Manchmal ist es besser, wenn andere dabei sind.
    Manchmal.
    Sie bittet mich darum, den Laptop vom Küchentisch zu nehmen. Gleich, sage ich und klicke auf den Artikel Benedikt Bjarnason von John Paul Hansen.
    Die Auslöschung des Sündigen
    Im Einflussbereich der Ungläubigen wird der Isländer Bjarnason gern als Opfer eines symbolischen Racheakts von Terroristen dargestellt (siehe Artikel: Die Beseitigung des Novizen ). Das ist ein Täuschungsmanöver, das uns davon abhalten soll, die Wahrheit zu erkennen. In den Augen der Gläubigen war es gerecht, Bjarnason zu töten. Er ist nicht einem Verbrechen zum Opfer gefallen, also ist es irreführend, hier von Mord zu sprechen.
    Bjarnason war der Assistent von Juan Perez Lopez, einem Wissenschaftler aus Mexiko, der mit dem mobilen Ärzteteam von Futura nostra unterwegs war und schon oft mit seiner umstrittenen Forschung an toten Föten Anstoß erregt hatte (siehe Artikel: Der Teufel spricht Spanisch ). Vieles weist darauf hin, dass die therapeutischen Aktivitäten dieses Wissenschaftlers nur eine Tarnung für seinen illegalen Handel mit Eizellen waren, die armen, notleidenden Frauen in der Dritten Welt entnommen wurden. Einheimische, die für das mobile Ärzteteam arbeiteten, berichteten von verängstigten muslimischen Frauen, die sich heimlich auf diesen Tauschhandel eingelassen hatten. Aufgefallen war die Sache dadurch, dass die Frauen im Zusammenhang mit der Eizellentnahme Medikamente einnehmen mussten.
    Die Gerüchte verbreiteten sich. In Internetforen von Mitgliedern der UN-Friedenstruppen gilt es als erwiesen, dass Lopez mit Hilfe seines Assistenten nicht nur Eizellen für seine Experimente gesammelt, sondern auch an seine Kollegen verkauft hat. Aufgrund der moralischen Fragen, die Experimente mit embryonalen Stammzellen aufwerfen, geben viele Forscher vor, an unbedenklichen Projekten zu arbeiten, während sie heimlich Stammzellenforschung betreiben. Da ihnen dafür jedoch oft die erforderlichen Genehmigungen fehlen und sie daher keinen Zugang zu überzähligen Eizellen aus künstlichen Befruchtungen haben, versuchen sie, sich ihr Rohmaterial auf illegalem Wege zu beschaffen. Das millionenschwere Unternehmen Futura nostra verfügt über alle Genehmigungen, die man auf diesem Gebiet bekommen kann. Gerüchten zufolge verschleiert es aber die dubiosen Nebenprojekte einiger Mitarbeiter. Dass Juan Perez Lopez Anteilseigner des Unternehmens blieb, nachdem gottesfürchtige Einheimische Bjarnason getötet hatten, sagt alles.
    Alle Artikel zu diesem Thema: Die Methoden der Ungläubigen . Der neueste Artikel von John Paul Hansen: Zellen von Außerirdischen, ein Geschenk Gottes .
    Was grübelst du denn da die ganze Zeit?, fragt Mama, die die Schränke abwischt, die ich erst gestern geputzt habe.
    Ich überlege, ob ich noch schnell in die Badewanne steigen kann, bevor wir essen, antworte ich und klappe den Laptop zu. Ist dafür noch Zeit?
    *
    Das Wasser strömt in die Wanne, ich gebe Badesalz hinein, setze den Stöpsel in den Abfluss und sehe zu, wie die Wasseroberfläche sich kräuselt.
    Das Internet wimmelt nur so von Verschwörungstheorien. Aber falls da doch etwas dran ist, haben die drei Männer kaum etwas mit einer terroristischen Vereinigung zu tun. Falls …
    Was weiß ich denn schon?
    Das kann doch alles Einbildung sein. Wie so vieles andere.
    Der Tod scheint immer eine Einbildung zu sein, er ist viel zu real. Man begreift es einfach nicht, dass ein Mensch, dem man in die Augen gesehen, mit dem man gelacht hat, tot sein kann. Es ist merkwürdig, dass Leute sterben, ebenso merkwürdig, dass sie geboren werden.
    Fatima ist tot, so viel ist sicher, denke ich und streiche über meinen Bauch. Die kleine Hera hat nur eine Mutter: Arndís.
    Sie hatte Benni dazu gebracht, den Kaiserschnitt zu machen, was weder heute noch für die Zukunft weiter von Belang ist. Vielleicht hat sie ihn sogar angestiftet, mit menschlichen Eizellen zu handeln, um möglichst schnell das Startkapital für ihre Galerie zusammenzubekommen. Frauenrechte waren für sie in erster Linie ihre Rechte.
    Ich sehne mich so sehr danach, in Ruhe nachdenken zu können, dass ich fast in Tränen ausbreche, als Helgi anklopft und sagt, sein Vater sei am Telefon. Er müsse mit mir sprechen. Sofort!
    Ich werfe dem dampfenden, vom Badesalz blauklaren Wasser einen sehnsüchtigen Blick zu, dann öffne
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