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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen
Autoren: Favel Parrett
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sich hoch vor dem Horizont auftürmten. Die herangerollt kamen – hereingedrückt wurden mit dem Wind.
    »Ich habe versucht, ihn zu starten«, sagte Miles, aber Dad kam auf ihn zu, stürzte sich torkelnd auf ihn, schlug ihn so kräftig gegen die Reling, dass sein Körper über den Bootsrand kippte. Sein Kopf fiel nach hinten. Er berührte das Wasser. Und als die Woge kam, tauchte er vollständig unter.
    Ins Kalte.
    In die Stille.
    Er öffnete die Augen, er konnte die Bewegung des Wassers sehen, und es fühlte sich an, als wäre sein Kopf gegen den Bootsrand geknallt, so sehr stach die Kälte – das eisige Wasser. Seine Hände hielten sich noch an der Reling fest, aber er konnte sich nicht selbst hinaufziehen. Dad war zu stark. Dad drückte ihn nach unten.
    Endlich rollte die Woge zurück, und Miles spürte Luft an seinem Gesicht. Er saugte sie ein. Dad starrte zu ihm hinunter, seine große Hand fest um Miles Kehle gelegt.
    »So fühlt sich das an«, sagte er, und Miles strampelte mit den Beinen, warf seinen Körper herum, aber es nützte nichts.
    Er schnappte nach Luft und ging wieder unter.
    Diesmal schien es länger zu dauern. Es dauerte sehr lange. Und als ihm die Luft ausging und nur noch eine brennende Enge in seiner Brust übrig blieb, ließen seine Hände die Reling los, seine Arme fielen zurück. Er spürte, wie sie das Wasser berührten, wie sie frei herumtrieben. Und sein Kopf war leicht. Sein ganzer Körper war leicht.
    Aber etwas zog an ihm, zerrte ihn zurück an die Oberfläche, dabei war es schwer, dieses Wasser. Es hielt ihn unten. Dann spürte er wieder Luft auf der Haut, spürte, wie sich alles drehte. Und irgendwie stand er schließlich aufrecht, betäubt. Irgendwie war er aufs Deck gekommen.
    Er kniff die Augen zusammen, wischte sich mit der erfrorenen Hand übers Gesicht.
    Harry rastete aus.
    Harry hämmerte mit den Fäusten auf Dad ein und schrie. Er schrie. »Lass ihn los! Lass ihn los!« Und er trat nach Dad. Trat mit beiden Beinen. Und Dad stand einfach da und lachte, als wäre es witzig. Als wäre es ein Spiel. Harry trat wieder zu, wobei er hart Dads Knöchel traf. Hart genug, dass Dad zusammenzuckte. Dann sah Harry zu Miles hinüber und rannte.
    Und während er rannte, brüllte er, er brüllte wieder und wieder dasselbe.
    »Wir sind an den Witches. Die Witches … Bitte!«
    Er war beim Funkgerät. Und seine Stimme wurde lauter, und als Dad in die Kajüte stürzte, fing er wieder an zu schreien. Miles hörte, wie das Funkgerät zu Boden fiel, noch bevor er eine einzige Bewegung machen konnte. Dad hatte Harry an den Schultern gepackt und schüttelte ihn wie eine Puppe. Er zerrte ihn hinaus aufs Deck.

D as sind geschützte Gewässer, du Idiot! Du versaust alles. Du versaust einfach alles!«
    Er schleuderte Harry gegen die Reling. Hielt ihn dort fest, und die Gischt spritzte dick auf, durchtränkte Harry, durchnässte seine Haare und lief ihm übers Gesicht. Und Harry wand sich, er zappelte und versuchte, von der Kante wegzukommen, bis Dad ihn so fest an den Haaren zog, dass er aufhörte.
    Die Augen schloss. Er schloss einfach die Augen.
    Und auf einmal hustete Jeff und spuckte Wasser, und als Miles zu ihm hinsah, lag er zusammengerollt auf der Seite und hustete wieder. Er war nicht tot. Aber Dad merkte es nicht. Er nahm keine Notiz davon. Sein Blick war auf Harry fixiert. Er starrte ihn weiter an. Und seine Hand ließ Harrys Haare los, fuhr nach unten zu der Angelschnur, die Harry um den Hals trug. Und er schloss die Hand um den Zahn des Weißen Hais.
    »Das ist seiner«, sagte er, und sein Gesicht wurde weiß. »Seiner.«
    Er ließ den Zahn los.
    »Sie ist weggegangen wegen ihm. Wegen dir.«
    Und dann passierte es. Etwas musste in Harry vorgegangen sein. Denn er machte die Augen auf, er sah Dad direkt in die Augen und sagte: »Das freut mich.«
    Jetzt geschah alles auf einmal.
    Miles sah die Welle; er sah, wie Dad Harry schubste. Und er rannte los, aber sein Bein blieb irgendwo hängen, etwas zog ihn herunter. Es war Jeff. Jeff war dicht bei ihm, alles Blut war aus seinem Gesicht gewichen.
    »Verdammt noch mal«, sagte er.
    Und das ganze Boot kippte. Ein Berg von Wasser schoss über die Ränder, fegte über das Deck, und Miles knallte gegen die Reling. Er hielt sich fest, hielt sich, bis das Boot sich wieder aufrichtete, bis das Wasser abfloss.
    Aber als er sich umdrehte, stand da bloß Dad.
    Harry war nicht da. Harry war nirgends.
    Miles’ Mund stand offen. Er konnte die Zunge bewegen,
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