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Jeier, Thomas

Jeier, Thomas

Titel: Jeier, Thomas
Autoren: ersten Amerikaner Die
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selbst braucht weder Federhaube noch farbenprächtige Kostüme, um seine Identität zu bewahren; er ist fest in der Tradition verwurzelt. Er ist einer der wenigen vollblütigen Indianer, die in den USA leben. Nur jeder Zehnte der ungefähr 1,8 Millionen Indianer in den Vereinigten Staaten hat ausschließlich indianisches Blut in den Adern. Die überwiegende Mehrheit besitzt nicht einmal einen indianischen Vater oder eine indianische Mutter. Die Zugehörigkeit und Herkunft wird in Amerika schon seit dem 19. Jahrhundert genealogisch definiert. Ein Grund für den sprunghaften Anstieg der Zahl der Indianer nach den Indianerkriegen um 1890 ist, dass erst dann auch ein »Viertelindianer« bei Volkszählungen als »vollwertiger« Indianer galt.
    Um heute offiziell in einen Stamm aufgenommen zu werden, muss man bei den meisten der 562 registrierten Stämme zumindest einen Großvater oder eine Großmutter dieses Stammes nachweisen können. »Wer ein Viertel Oneida-Blut vorweisen kann, wird als Stammesmitglied akzeptiert«, berichtet mir der Oneida-Indianer Phil Wisneski während einer Fahrt durch das Oneida-Reservat in Wisconsin. Eine zweifelhafte Anforderung, genügten vor Ankunft der Weißen und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein doch die Loyalität gegenüber dem Stamm, die Akzeptanz seiner Kultur und traditionellen Zeremonien sowie die Beherrschung der jeweiligen Sprache, um als vollwertiges Mitglied anerkannt zu werden. Das betraf auch Mitglieder anderer Stämme und sogar Weiße, die geraubt und von Indianern adoptiert wurden. Das berüchtigte Spießrutenlaufen, bei dem Gefangene von den Frauen und Kindern des siegreichen Stammes geschlagen und ausgepeitscht wurden, war nicht nur ein Marterritual, sondern diente auch dazu, dass die Gefangenen ihre Vergangenheit abstreifen und sich einer neuen Kultur öffnen konnten. Sobald sie adoptiert waren, genossen sie die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen Mitglieder des Stammes auch, selbst wenn kein einziger Tropfen indianischen Blutes in ihren Adern floss.
    Auch dem Aktivisten und Schauspieler Russel Means erscheint die traditionelle Auffassung von Identität viel wichtiger als die Blutszugehörigkeit. Nur wer in der Geschichte und den religiösen Zeremonien verwurzelt sei und zumindest einige Worte seiner Stammessprache beherrsche, dürfe sich als Indianer fühlen. Eigenschaften, die nur noch wenige Stammesmitglieder für sich in Anspruch nehmen können: »Ich erkenne mit großem Bedauern, dass wir unsere Traditionen vergessen und unsere Sprache verlieren. Wir mögen wie Indianer aussehen, aber wir sind keine Indianer mehr. Eines Tages werden wir nur noch › indianische Amerikaner ‹ sein, so wie es polnisch-stämmige Amerikaner gibt.«
    »In Amerika bist du entweder schwarz, weiß oder asiatisch, das sieht man dir bereits am Gesicht an«, behauptet die Professorin Bethany Schneider von der Penn University in Pennsylvania. Bei Indianern sei die Definition wesentlich schwieriger, weil die US-Regierung, allen voran die zuständige Behörde, das »Bureau of Indian Affairs« (BIA), allein nach genetischen Gesichtspunkten entscheidet. Weil aber viele Indianer ihre Ehepartner außerhalb ihres Stammes finden, ist es selbst für überzeugte »Native Americans« schwierig, als solche anerkannt zu werden. »Ich bin zu einem Achtel Cherokee auf meines Vaters Seite«, berichtete Jimi Marshall Roberts dem Illinois State Museum, »er ist ein Viertel, seine Mutter zur Hälfte und deren Vater ein vollblütiger Cherokee. »Ich weiß sehr wenig über meine Familie. Wir haben kaum darüber gesprochen. Erst mein Vater brachte meine Großtante dazu, mir mehr über unsere Geschichte zu erzählen. Ich bin kein offizielles Mitglied unseres Stammes, aber ich arbeite daran. Es ist schwer.«
    Bis in die 1930er Jahre hinein scheute die US-Regierung kein Mittel, um den Indianern ihre Identität zu rauben. Man verbot ihnen religiöse Zeremonien wie den Sonnentanz, in dem die Wiedererweckung der Natur gefeiert wurde, unterdrückte ihre Kultur und forcierte die Assimilation, wo immer es ging. Begonnen hatte diese Politik bereits 1830, als Präsident Andrew Jackson den »Indian Removal Act« unterzeichnete, ein Gesetz, das die Vertreibung aller Indianer aus den Gebieten östlich des Mississippi vorsah. Unter ihrer Umsiedlung hatten zwischen 1831 und 1838 besonders die Cherokee, Seminolen, Creek, Chickasaw und Choctaw, die wegen ihrer den Europäern ähnelnden Lebensweise auch die »Fünf
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