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Jeier, Thomas

Jeier, Thomas

Titel: Jeier, Thomas
Autoren: ersten Amerikaner Die
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nicht geboren sind?«
    Ben Black Elk, Oglala-Lakota, 1968
    Die Hochprärie im östlichen Montana. Ein weiter Ozean aus Büffelgras, das sich im heißen Wind bewegt und ständig die Farbe verändert, von einem dunklen Blaugrün zu schmutzigem Silber. wie das Meer, das zweitausend Meilen weiter östlich gegen die Küste brandet. Die Reifen unseres Wagens summen über die Autobahn, die Interstate 90, ein endloses Band unter dem weiten und grenzenlosen Himmel. Indian Country. Indianerland. Selbst die Wolken sehen hier anders aus, die Kontraste sind stärker, und in der andächtigen Stille abseits der Zivilisation glaubt man den Geistern der Indianer nahe zu sein.
    Meine Reise führt in die Vergangenheit, zum Schauplatz der größten Indianerschlacht am Little Bighorn River. »Custer’s Last Stand«, ein Abenteuer-Open-Air-Spektakel, erinnert an diesen Kampf. Am 25. Juni 1876 ritten Lieutenant Colonel George Armstrong Custer und mehr als 260 Soldaten und Bedienstete seines Siebten Kavallerie Regiments in eine Falle der vereinigten Sioux, Cheyenne und Arapaho. Mehr als 1000 Krieger empfingen den ehrgeizigen Offizier, der seine Truppen geteilt hatte und zu spät erkannte, dass er einer überwältigenden Übermacht von Indianern gegenüberstand.
    Das »Reenactment«, das Wiedererstehen der Schlacht geht bei Hardin im östlichen Montana über die Bühne, nur zehn Meilen vom historischen Schlachtfeld entfernt. Indianer aus den nahen Reservaten, vor allem Cheyenne und Crow, schwingen sich in (mehr oder weniger) authentischen Kostümen auf ihre Pferde und ziehen noch einmal in den Krieg. Auf der anderen Seite stehen weiße Laiendarsteller in der blauen Uniform der US-Kavallerie. Die Szenen bleiben nahe an der historischen Wahrheit und sind abwechslungsreich und spannend inszeniert. Nur der heldenhafte Auftritt von Custer und die abschließende Nationalhymne passen nicht so recht ins Bild. Die Amerikaner mögen es patriotisch und ein bisschen Kitsch darf schon sein. Die Zuschauer auf den Tribünen applaudieren begeistert, und einige bleiben sogar sitzen, um sich gleich die nächste Vorstellung anzusehen. Die anderen strömen zu den Imbissbuden, essen »Buffalo Burgers« und löschen ihren Durst mit Limonade. Es ist sommerlich heiß auf dem gemimten Schlachtfeld, beinahe so heiß wie an jenem schicksalhaften Tag im Juni 1876.
    Leland Rock spielt den legendären Crazy Horse - ausgerechnet ein Crow-Indianer. Welche Ironie der Geschichte, denn die Crow waren früher die Erzfeinde der Lakota. Bereits als 14-jähriger durfte er in dem Dustin-Hoffman-Film Little Big Man mitspielen. »Ich lebe in der Tradition meines tapferen Volkes«, berichtet er mir, »jedes meiner Kinder trägt einen Indianernamen«. Joseph Medicine Crow pflichtet ihm bei: »Wir dürfen unsere Vergangenheit niemals vergessen, sonst stirbt auch unser Volk.«
    Der beinahe hundertjährige Stammeshistoriker der Crow und Autor des Spektakels wuchs bei seinen Großeltern auf: »Sie lebten in einer Zeit, als es noch keine Reservate gab und gewaltige Büffelherden über die Prärie zogen. Mein Großvater kämpfte am Little Bighorn. Er versuchte, einen guten Krieger aus mir zu machen. Ein Krieger muss stark sein, deshalb trainierte ich jeden Tag: Ich lief, schwamm, ritt und übte mit Pfeil und Bogen.« Sein Sohn Ron, der fünfzig Jahre jünger ist und den greisen Mann pflegt, fügt hinzu: »Sein Großvater ahnte aber auch, dass ein guter Krieger mehr wissen muss, um sich in der Welt des weißen Mannes behaupten zu können. Mein Vater besuchte drei Colleges. 1939 erhielt er als erster Indianer von der University of California einen Master’s Degree.« Joseph Medicine Crow erzählt, dass sein Volk ihn zum Stammeshistoriker wählte, »und als solcher fühle ich mich verpflichtet, die wahre Geschichte unseres Volkes zu erzählen. In Büchern und Artikeln, aber auch in Schulen und vor den Kindern unseres Volkes, die leider viel zu wenig über ihre Geschichte wissen.« Sein Engagement für sein Volk hat ihn in Amerika bekannt gemacht, und ihm wurde dafür große Anerkennung zuteil. Am 12. August 2009 überreichte ihm Präsident Barack Obama die »Medal of Freedom«, die höchste zivile Auszeichnung der USA.
    Mit dem Reenactment des glorreichen Sieges am Little Bighorn verhilft Joseph Medicine Crow vielen seiner Stammesgenossen zu neuem Selbstbewusstsein, zu einer Reise in die Vergangenheit, um die eigene Identität zu erkennen und sich wieder als Indianer fühlen zu können. Er
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