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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe
Autoren: Evelyn Sanders
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regelmäßigen Intervallen das Tegernseer Bauerntheater, die Württembergische Landesbühne und gelegentlich prominente Fernsehstars gastieren; letztere bedingen höhere Eintrittspreise sowie Kartenvorverkauf. Im Kurhaus finden auch der Silvester- und der Rosenball statt, desgleichen die gehobeneren Faschingsfeste. Die anderen werden in die Mehrzweckhalle verlegt. Da es sich hierbei um die Turnhalle handelt, fällt in den Tagen vor und nach derartigen Großveranstaltungen der Sportunterricht in den Schulen aus.
    Neben dem Kurhaus mit Restaurationsbetrieb und dreimal wöchentlich Tanztee gibt es noch diverse Gaststätten mit ›Stimmungsmusik‹. Der fest engagierte Hammondorgel- oder Akkordeonspieler genießt bereits den Vorteil der 36-Stunden-Woche, denn fast alle Tanzvergnügen enden pünktlich um 22 Uhr, weil Zapfenstreich ist. Kasernierte Kurgäste müssen um 22.30 Uhr zu Hause sein. Die Privaten haben natürlich unbefristeten Ausgang.
    Wir haben etwa zwei Dutzend Kneipen – Imbißhalle und Reiterklause eingeschlossen –, ein wirklich herrliches Freibad, das auch außerhalb des Landkreises bekannt ist und an Wochenenden von Heidelberger, Mannheimer und sogar Stuttgarter Mitbürgern bevölkert wird, einen Minigolfplatz, einen Reitstall und eine Kurbibliothek. Nicht zu vergessen den zauberhaften Mischwald mit sehr gepflegten Wegen, mit Schutzhütten, die nach Einbruch der Dunkelheit von Liebespärchen frequentiert werden (das läßt sich unschwer an den eingeritzten Herzchen mit Monogramm erkennen), mit Reitwegen, Brombeersträuchern, Pilzen und last, but not least dem Waldsee. Der ist zwar klein, aber sehr romantisch und dient den Kurgästen als lebender Abfalleimer für harte Brötchen und von den auf Diät gesetzten Patienten verschmähten Vollkornbrotscheiben. Die Karpfen im Waldsee sind auch alle wohlgenährt und so zutraulich, daß sie vermutlich jedem aus der Hand fressen würden, wenn man es versuchte. Sascha hat sogar einmal zwei Karpfen geangelt, und zwar mit einem Stück Bindfaden und einer aufgebogenen Büroklammer. Verboten ist das trotzdem.
    Für Jogging-Freunde und sonstige Gesundheitsapostel gibt es auch einen Trimmpfad mit zwanzig Haltepunkten, wo man die auf Blechschildern illustrierten Freiübungen veranstalten kann. Manchmal begegnet man tatsächlich schwitzenden Mitbürgern, die sich an Reckstangen hochrangeln oder Holzbalken verschiedener Stärke schwingen, falls diese nicht gerade einmal wieder von einem weniger gesundheitsbewußten Kaminbesitzer als Feuerholz geklaut worden sind.
    Man sieht also, daß für Gesundheit und Freizeitvergnügen unserer Kurgäste sehr viel getan wird. Wer nicht gut zu Fuß ist und trotzdem lustwandeln möchte, kann es im Kurpark tun, wo es mehr Bänke als Bäume gibt. Die Kurparkschwäne auf dem Kurparksee mögen übrigens kein Brot mehr, sie fressen lieber Salat.
    Wer wandern will, kann auch das zur Genüge tun. Bedauerlicherweise liegen alle sehenswerten Ausflugsziele außerhalb der Gemeindegrenzen, was besonders die ortsansässigen Gastwirte etwas verbittert. Deshalb besteht wohl auch die zwar immer abgestrittene, trotz allem aber seit jeher vorhandene Rivalität zwischen Bad Randersau und dem 5 Kilometer entfernten Nachbarort, der dank seines mittelalterlichen Stadtkerns schon oft den Hintergrund für Fernsehspiele und Trachtenfeste abgegeben hat. Darum ist er auch bekannter. Hübscher ist er auf jeden Fall.
    An Sehenswürdigkeiten hat Bad Randersau eigentlich nur sein Wasserschloß zu bieten, das dann auch auf fast jeder Ansichtskarte und mehrmals im Prospekt wiederzufinden ist. Eine Zeitlang diente es sogar als Kurheim, nun wird es umgebaut. Sollte es jemals fertigwerden, dann zieht hier die Stadtverwaltung ein.
    Zum Wasserschloß gehört auch ein Wehrturm, der zwar etwas abseits, dort aber schon seit über 500 Jahren steht. Man hat ihn des Denkmalschutzes für würdig befunden, und nun muß immer um ihn herumgebaut werden. Das neu errichtete Gemeindezentrum, über dessen Sinn und Zweck noch allgemein gerätselt wird, steht auch in seinem Windschatten.
    Über das Wohl und Weh der 13 874 ständigen und der wechselnden Zahl vorübergehender Bewohner wachen die Polizei und der Herr Bürgermeister. Letzterer ist sehr beschäftigt, was die interessierten Untertanen allwöchentlich im Gemeindeblatt nachlesen können. Es gibt so gut wie keine Ausgabe, in der wir unser Stadtoberhaupt nicht beim Pflanzen einer Eiche (Tag des Baumes) bewundern können, beim
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