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Je mehr Löcher, desto weniger Käse

Je mehr Löcher, desto weniger Käse

Titel: Je mehr Löcher, desto weniger Käse
Autoren: Holger Dambeck
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Straßenbauer in einer virtuellen Welt.
    Vielleicht verstehen Sie jetzt besser, warum Mathematiker ihr Fach als großes Abenteuer sehen und sich mitunter fühlen wie ein Entdecker auf Expedition. Der Leipziger Mathematiker Eberhard Zeidler folgt diesem Expeditionsgedanken, wenn er die Mathematik als »geistiges Auge« bezeichnet. Sie gleicht einem zusätzlichen Sinnesorgan, mit dem der Mensch in Erkenntnisbereiche vorstoßen kann, die weit von seiner täglichen Erfahrungswelt liegen.
    Der Begriff des geistigen Auges geht auf den deutschen Mathematiker Erich Kähler (1906–2000) zurück, der ihn bereits 1941 in einem Aufsatz verwendete. Kähler hielt offenbar alles für möglich, solange Menschen die Welt nur mit mathematischen Mitteln analysieren: »Wir können nicht ahnen, in welche Ferne und Tiefe dieses geistige Auge den Menschen noch blicken lässt.«
    Das klingt fast schon beängstigend. Und ich gebe zu: Ein wenig habe ich mich selbst auch immer vor der Mathematik gefürchtet. Wird man nicht immer mehr hineingezogen in eine abstrakte Welt und verliert den Kontakt zur realen Welt? Und wegen dieser Bedenken habe ich mich dann dazu entschlossen, Physik und nicht Mathematik zu studieren.
    Ich kann jedoch gut nachvollziehen, dass für manchen Mathematiker sein Fach die Rolle einer Religion spielt. Unser Dasein ist voller Ungewissheit und Unsicherheit. Der Mensch aber sucht nach Beständigkeit, nach Dingen, die jenseits unserer alltäglichen menschlichen, biologischen oder physikalischen Welt liegen. Das Fach bietet mit seiner logischen Strengeund Konsistenz Halt und sogar Gewissheit, meint beispielsweise der Franzose David Ruelle. Vielleicht erklärt dies auch die Entrücktheit mancher Mathematiker. Bei ihrer Arbeit haben sie immer wieder das mathematisch Perfekte, das Geniale gesehen – eine Art Gotteserlebnis.
    Viele Mathematiker sehen ihr Tun aber auch ganz pragmatisch: Da gibt es ungelöste Rätsel, da brauchen Physiker oder Biologen eine Erklärung für ein bizarres Muster, oder der Flugplan der Lufthansa soll so optimiert werden, dass ein paar wenige Verspätungen nicht sofort zu einem riesigen Durcheinander führen.
    Ich würde es so formulieren: Mathematik versteht man am besten, wenn man sie betreibt. Das muss nicht auf allerhöchstem Niveau geschehen. Es sollte aber auf jeden Fall um Probleme gehen, die kreative Ideen erfordern, und nicht um das Formeldurchhecheln, was den Schulunterricht oft noch dominiert.
    In diesem Sinne: Gehen Sie mit offenen Augen durch die Welt. Sie steckt voller spannender Mathematik, wenn man nur genau genug hinschaut.

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Quellen

    Sofern verfügbar, habe ich bei den wissenschaftlichen Publikationen die DOI – Nummer mit angegeben. Wenn Sie diese auf der Webseite doi.org in die Suchmaske eintippen, gelangen Sie direkt zu dem jeweiligen Fachartikel oder zumindest zum Abstract.
    Kapitel 1
    Prentice Starkey, Robert Cooper: »Perception of Numbers by Human Infants«, Science, Vol. 210, 28. November 1980, doi:10.1126/science.7434014
    Karen Wynn: »Addition and subtraction by human infants«, Nature, Vol. 358, 27. August 1992, doi:10.1038/358749a0
    Tony Simon, Susan J. Hespo, Philippe Rochat: »Do infants understand simple arithmetic? A replication of Wynn«, Cognitive Development, Vol. 10, Issue 2, April–June 1995, doi:10.1016/0885-2014(95)90011-X
    Andrea Berger, Gabriel Tzur und Michael I. Posner: »Infant brains detect arithmetic errors«, PNAS , Vol. 103, No. 33, 15. August 2006, doi:10.1073/pnas.0605350103
    Robert S. Moyer, Thomas K. Landauer: »Time required for Judgements of Numerical Inequality«, Nature, Vol. 215, 30. September 1967, doi:10.1038/2151519a0
    Stanislas Dehaene: »Der Zahlensinn – oder warum wir rechnen können«, Birkhäuser, 1999, englische Originalausgabe »The Number Sense«, Oxford University Press, 1997
    Stanislas Dehaene, Véronique Izard, Elizabeth Spelke, Pierre Pica: »Log or Linear? Distinct Intuitions of the Number Scale in Western and Amazonian Indigene Cultures«, Science, Vol. 320, 30. Mai 2008, doi:10.1126/science.1156540
    Kapitel 2
    Karen McComb, Craig Packer, Anne Pusey: »Roaring and numerical assessment in contests between groups of female lions, Panthera leo«, Animal Behaviour, Vol. 47, Issue 2, Februar 1994, doi:10.1006/anbe.1994.1052
    Keith Devlin: »Der Mathe-Instinkt. Warum Sie ein Genie sind und Ihr Hund und Ihre Katze auch«, Klett-Cotta, 2005
    Hans J. Gross, Mario Pahl, Aung Si, Hong Zhu, Jürgen Tautz, Shaowu Zhang:
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