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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition)
Autoren: Beate Dölling
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gar nicht in seinem Auto.
    »Hier ist es so voll.«
    »Wir können ins Café Kurcuma gehen, an der Zossener.« Da sitzen immer irgendwelche Bekannte. Sie möchte auf keinen Fall mit ihm irgendwo hinfahren.
    »Da kann man nicht richtig reden. Komm, lass uns doch ein bisschen rausfahren.«
    »Nein, Kolja, dann lass uns zu mir gehen.«
    »Ich stehe da vorn im absoluten Halteverbot.«
    »Dann such dir doch schnell einen Parkplatz.«
    »Ja, schnell – das ist leicht gesagt.«
    »Bei der Post gibt es immer welche.«
    »Okay, dann fahren wir eben zu dir.«
    Sie schaut auf die Uhr, 14 Uhr. Mama könnte schon da sein.
    Kolja macht ihr die Beifahrertür auf. Als er selbst einsteigt, fängt ihr Herz an zu schlagen, drohend, im Hintergrund. Kaum sitzt Kolja hinter dem Steuer, gibt er Gas. Sie versucht ruhig zu atmen, sucht in Gedanken nach dem Punkt, drei Fingerbreit unterhalb des Nabels, trifft ihn aber nicht. Kolja fährt viel zu schnell über die Gneisenaustraße. Am Südstern müsste er rechts abbiegen, aber er fährt geradeaus. Sie hat keine Luft zum Sprechen, sie braucht die Luft zum Atmen, kann die Panik nicht abwehren, muss die Attacke über sich ergehen lassen – der einzige Trost ist, dass sie weiß, sie wird nicht davon sterben. Wenn Kolja allerdings weiter so rast, stirbt sie bei einem Unfall. Kolja redet die ganze Zeit, sie kann ihm nicht folgen, ist zu sehr auf ihren Herzschlag konzentriert, der sich gerade überschlägt und bricht und langsam verklingt. Zurück bleibt ein flaues Gefühl, Schlappheit, Schwäche, Erleichterung. Sie kann sich auch wieder bewegen, schwitzt. Sie nimmt die Flasche Wasser aus ihrem Rucksack; es ist zum Glück noch ein Schluck drin.
    »… nicht von heute auf morgen vorbei sein«, hört sie Kolja.
    »Was?«, fragt sie.
    »Ich sag dir eins, verarsch mich nicht«, faucht Kolja sie plötzlich an. Von der Wucht seiner Worte wird sie fast vom Sitz geschleudert. Sie ist noch eine Feder, ohne Fleisch und Blut und Kraft. Das muss erst langsam wieder zurückkommen.
    »Hörst du mir überhaupt zu?«
    Julia holt tief Luft. Die Gedanken flattern ihr davon, sind nicht greifbar. Eins ist klar: Sie sitzt in Koljas Auto, wo sie gar nicht sein will, und er fährt sie nicht nach Hause, denn sonst wäre er eben rechts abgebogen!
    »Natürlich höre ich dir zu«, sagt Julia ruhig und leise.
    »Und was sagst du dann dazu?«
    »Kolja, bitte, ich bin müde, ich will nach Hause …«
    »Und ich lass mich nicht einfach so abservieren!«
    Als er auf die nächste Ampel zurollt, klickt es leicht. Er hat die Zentralverriegelung aktiviert. Der Knopf dafür ist auf seiner Seite.
    »Was soll das? Entführst du mich jetzt?« Ihr Herz fängt schon wieder an zu rasen.
    »Ich will mit dir reden!«
    »Ich aber nicht mit dir!«
    »Warum denn nicht?«
    »Kolja, lass es uns nicht schlimmer machen, als es schon ist.«
    »Ich habe alles für dich getan, Julia!«
    »Ich weiß, und du hast mir auch sehr geholfen, Kolja. Aber mir ist jetzt klar, dass ich dich nicht liebe.«
    »Wie kannst du so was sagen?!«, schreit er plötzlich und haut auf das Lenkrad. Der Wagen macht einen Schwenk nach rechts, er reißt ihn zurück auf die Fahrbahn. Ein Auto hupt neben ihm, der Fahrer zeigt ihm einen Vogel. Kolja tritt wie ein Verrückter auf das Gaspedal, überholt den Wagen und bremst ruckartig vor ihm ab. Nun hupt der Hintermann erst recht. Kolja fährt in die Flughafenstraße, überholt jeden, fährt mit 110 über den Columbiadamm, am ehemaligen Flughafen vorbei und biegt mit quietschenden Reifen in den Tempelhofer Damm. Da muss er zum Glück langsamer fahren, weil der Verkehr sehr dicht ist.
    »Sag mal, spinnst du!« Julia versucht, die Tür aufzukriegen, aber sie ist noch verriegelt. »Mach sofort die Tür auf!«
    Kolja reagiert nicht.
    »Wo willst du überhaupt hin?«
    Kolja beißt sich auf die Unterlippe. »Wenn es am schönsten ist, soll man gehen«, murmelt er.
    »Wie bitte?«
    »Wir hätten Schluss machen sollen, als es am schönsten war. Dann hätten wir uns unsere Liebe bewahrt, auf ewig.«
    »Was redest du da für einen Scheiß?«
    »Ich rede keinen Scheiß. Meine Großeltern haben es genau richtig gemacht. Sie waren glücklich und haben sich das Leben genommen – mitgenommen – und das Glück auch.«
    »Halt sofort an!«
    Er reagiert nicht.
    »Kolja, du machst mir Angst!«
    »Ach ja?« Er schaut sie von der Seite an. Sein Mund ist verzerrt. »Immerhin das noch«, flüstert er und schert rechts raus, fährt über den
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