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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition)
Autoren: Beate Dölling
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Shakespeare schafft es tatsächlich, auf den Punkt zu kommen – allerdings auch erst, nachdem er ellenlang herumgesülzt hat, wie schön er seine Julia findet: »Mein Herz verlangt nach deiner Anmut, nach deiner Lippen praller Lust …« – Genauso schaut’s aus. Ich kann’s wirklich nicht besser ausdrücken. Gut dass ich nicht Schriftsteller werden will ;-)
    Hilfe, mein Kopf ist heiß, die Wangen glühen … Ich glaube, ich bin ernsthaft verliebt. Das war ich so noch nie, mal abgesehen von Ariane Winter, die mir im Kindergarten hinter den Hagebuttensträuchern ihre Muschi gezeigt hat.
    Julia muss erst einmal verschnaufen, aber dann liest sie das ganze Tagebuch durch. Alles dreht sich um sie, um seine kleine Julia , obwohl er sie nie so genannt hatte, nur für sich, in seinem Tagebuch, sein Engel! Er schreibt und beschreibt, wie er sie liebt, jeden Zentimeter ihres Körpers streichelt, fühlt, betastet, wie ein Blinder, der verstehen will. Er will die Liebe verstehen, die von ihr kommt und die ihn zu einem Liebenden macht, wie er sich das nicht mal hätte erträumen können, er hebe mit ihr ab, in andere Welten. Und sie nehme ihn mit – überall – hin, zeige ihm, leite ihn, lasse ihn schauen. Er beschreibt all ihre Liebesstunden. Julia taumelt durch die Sätze. Muss immer wieder Pausen machen. Manchmal ist ihr, als würde sie in einen tiefen See abtauchen und über den Grund spazieren oder noch oben in der Luft sein – ohne alles, nur getragen von Jonas’ Liebe.
    Sie muss öfter Pausen machen. – Das alles wollte Jonas ihr also sagen!
    Der nächste Eintrag beginnt mit einem Zitat aus Romeo und Julia :
    Meine Liebe ist so tief wie das Meer. Je mehr ich gebe,
    je mehr auch hab ich: Beides ist unendlich.
    … für meine kleine Julia, denn sie ist das Wahre und Echte, sie ist meine Welt und mein Himmel, mein Sehnen, meine Zukunft. Meine Liebe.
    Dein Romeo
    Wenn ich ihr das doch nur sagen könnte!
    Julia rinnen Tränen über die Wangen, das Weinen tut nicht weh, es erfüllt sie mit Ruhe und Zufriedenheit, als würde Jonas neben ihr im Bett liegen, mit einer Hand auf ihrem Bauch und seinen Lippen an ihrem Ohr. Jetzt ist er wirklich nah.
    Meine Liebe ist so tief wie das Meer. Je mehr ich gebe,
    je mehr auch hab ich: Beides ist unendlich.
    Sie leckt die Tränen aus den Mundwinkeln, atmet tief durch, damit sich Jonas ganz in ihr ausbreiten kann, und liest weiter, von ihren gemeinsamen Reisen, wie er es nennt, wenn sie »Liebe machen«. Er beschreibt, wie er sie streichelt, wie sie dabei langsam aufgeht wie ein Mohnblume am Morgen. Wie er ihr dabei zuschaut, wenn sie zuerst kommt, wie schön sie sei, wie weich und offen, warm und nass. Und wenn sie ihn dann aus lustschweren Lidern anblinzle, noch außer Atem, aber schon wieder zurückgekehrt, fühle er sich rund und stark und vollkommen eins mit ihr!
    Er schreibt, dass sie gern Melone mit Schinken isst, Erdbeersorbet, was sie für Musik hört, White Stripes gern mal live sehen würde und Fat Freddy’s Drop liebt, wie sie am liebsten massiert wird – gleich nach dem Baden, mit Sheabutter – just Shea –; wie er sie küsst, berührt, dass er sich niemals ausgemalt hätte, dass ihn ein Mädchen so verführen könnte. – Seine kleine Julia, so überzeugt von sich und voll in ihrem Körper. Ja, er glaube an sie, in jeder Hinsicht. Felsenfest! Sie würde bestimmt mal eine hervorragende und berühmte Schauspielerin werden. Er sei sich ganz sicher, er fühle es einfach und er würde ALLES tun, um sie glücklich zu sehen.
    In dieser Nacht ist es die Stille, die Julia ausfüllt, die Ruhe, die sich in ihr ausbreitet, denn Jonas ist bei ihr und wird nie wieder gehen!

KAPITEL 36
    Sie kennen sich schon aus dem Kindergarten
    Julia schläft tief und traumlos. Als sie aufwacht, hat sie ein leichtes Gefühl unter dem Zwerchfell, das erste Mal seit Jonas’ Tod, dass sie sich hell fühlt, leicht, sich freut, aufgewacht zu sein, und sich nicht gleich ins Kissen vergräbt und versucht, sich wieder in den Schlaf zu flüchten.
    Sie zieht die Lederjacke unter ihrem Bett hervor und kuschelt sich ein, riecht am Kragen und weint. Es ist ein frisches Weinen, es reinigt, heilt. Das Tagebuch liegt noch neben ihr. Sie schlägt es auf, liest ein paar Passagen noch einmal, schaut an die Wand, wo Jonas’ Fotos hängen, und plötzlich weiß sie, dass sie die eines Tages abhängen kann und Jonas wird trotzdem bei ihr bleiben. Er ist gespeichert in ihrer Seele und jederzeit abrufbar.
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