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Je länger, je lieber - Roman

Je länger, je lieber - Roman

Titel: Je länger, je lieber - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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seines Vaters gab deutlich zu verstehen, dass Widerspruch zwecklos war.
    »Casado hat uns in unserer Not gerettet, nun wirst du die Schuld deiner Familie einlösen und seine Tochter heiraten, die von einem schwerreichen, verheirateten Tunichtgut geschwängert wurde, und die Vaterschaft für dieses uneheliche Kind übernehmen.«
    Jacques schüttelte den Kopf. Seine Lippen bewegten sich kaum merklich, als er flüsterte. »Aber das kann ich nicht. Sie ist Claras beste Freundin. Von dem Mädchen, das ich liebe.«

7

    Waldblütenhain, 2013
    Mimi holperte in der Abenddämmerung den schmalen Waldweg zum Herrenhaus ihrer Großmutter hinunter. Sie hatte das Fenster ihres Kombis heruntergefahren. Zart legte sich die milde Luft über ihre nackten Arme, den Hals, das Gesicht. Die Scheinwerfer schoben sich über den rumpeligen Weg aus getrockneter Erde, in dessen Mitte ein schmaler Grasstreifen wuchs. Für den Augenblick eines Lichtblitzes sah Mimi sich als kleines Mädchen im Sommerkleid am Ende dieses Weges stehen, wie ein angestrahltes Reh. Dann lag die Fahrspur zwischen den Bäumen wieder in der Dämmerung da.
    Damals hatte sie immer den Weg zurück zu diesem rot geklinkerten Haus mit den weißen Fensterläden gefunden. Ein paar Wochen würde sie hier bei Clara wohnen können, aber wo würde dann ihr Zuhause sein? Sie wischte sich mit dem Handballen die Tränen weg und lenkte den Wagen durch das große, schmiedeeiserne Tor des Anwesens, das von einer mit Efeu überwucherten Backsteinmauer umschlossen wurde. Am Ende der Allee schmiegte sich das zweigeschossige Gebäude in die weitausladenden Arme hochgewachsener Bäume. Auf der hell erleuchteten Veranda sirrten die Mücken um Margarete herum, die steif wie ein Stock und mit umgebundener Schürze dastand, als erwartete sie Mimi bereits. Sie stieg aus, zerrte ihr Gepäck vom Rücksitz und schleppte sie die Stufen hinauf. »Hallo, Margarete. Ist etwas passiert?«
    »Das frage ich Sie! Ich habe die Scheinwerfer zwischen den Bäumen gesehen und hatte gleich so ein ungutes Gefühl. Um diese Zeit fährt hier kein Mensch mehr entlang.« Sie griff nach dem Koffer, um ihn Mimi abzunehmen. »Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Ihr Mann hat heute seinen großen Abend. Ist die Preisverleihung ausgefallen?« Die hochgeschossene Haushälterin sah Mimi besorgt an.
    Mimi schüttelte den Kopf, bemüht, ihrer Stimme einen gleichgültigen Klang zu verleihen. »Ich wollte lieber nach Clara sehen, als meinen Abend auf dieser … dieser Stehparty totzuschlagen.«
    »Stehparty? Ich dachte, Ihr Mann wird für seine beeindruckende Forschungsarbeit ausgezeichnet. Er wird in der Zeitung auf der Wissenschaftsseite als Retter der Menschheit gefeiert!«
    Mimi lächelte gequält. »Na ja. So viele Menschen rettet er dann doch nicht.«
    »Und was sagt Ihr Mann dazu, dass Sie an diesem besonderen Abend nicht bei ihm sind?« Margarete lief neben Mimi her. Sie war seit jeher schrecklich besorgt, sobald Menschen ihren gesellschaftlichen Pflichten nicht nachkamen.
    Nun platzte es doch aus Mimi heraus. »Oh, um den mach dir mal keine Sorgen. Ihm zumindest geht es blendend.«
    »Ja, und warum tragen Sie noch immer das Cocktailkleid von heute Morgen?«
    Ohne eine weitere Erklärung abzugeben, lief Mimi an der Haushälterin vorbei ins Haus. Noch mehr unangenehme Fragen nach ihrem grauenhaften Tag wollte sie nicht beantworten. Es war ein seltsames Gefühl, auf einmal keinen Mann und kein Zuhause mehr zu haben. Es war, als wären die letzten Jahre nichts als eine gegenstandslose Illusion gewesen, als gäbe es die alte Mimi nicht mehr. Renés Leben schien einfach weiterzulaufen. Er hatte heute seinen großen Abend. Sie zog wieder in ihr altertümliches Jugendzimmer ein, vor dessen Fenstern gehäkelte Gardinen aus dem vorletzten Jahrhundert hingen.
    Eilig durchquerte sie die kühle Halle, in der sie gestern noch so nichts ahnend gestanden und versucht hatte, ihn zu erreichen. Jetzt war klar, warum er nicht ans Telefon gegangen war. Wer war dieser Mann, mit dem sie die letzten zehn Jahre verbracht hatte? Ein kaltherziger Mensch, der keinen Begriff von Liebe hatte? Aber wusste sie denn, was Liebe war? Sie lief weiter in den Salon, wo ihre Großmutter aufrecht im Bett saß und im Schein der Nachttischlampe Kreuzworträtsel löste. Sie war süchtig nach Kreuzworträtseln. Erstaunt sah sie auf.
    »Du bist schon wieder da? Du wolltest doch erst morgen kommen.« Claras Stimme klang etwas wackelig. Und ihr Atem ging
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