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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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sich in seinem Sessel zurück.
    »Auf dem Weg hierher hörte ich vom israelischen Sender auf Arabisch, dass der Feind uns aus dem Präsidentenpalast vertrieben habe, stimmt diese Meldung?«, fragte Abu George.
    »Sie hören das Radio der Zionisten?«, umging der Gouverneur die Frage.
    »Ich bin Journalist«, erwiderte Abu George und sah ihn mit geradem Blick an.
    Wieder klingelte das Telefon. »Ahlan, verehrter Herr Bürgermeister, tafaddal, bitte«, sagte der Gouverneur und lauschte, während er mit dem Stift spielte, der auf seinem Tisch lag. »Sie haben recht, mein Lieber, wir müssen die Gemüter beruhigen. Die Zwischenfälle finden hauptsächlich an der Grenze statt. Sorgen Sie dafür, dass die Geschäfte wie üblich geöffnet werden. Ausrüstung und Nahrungsmittel gibt es im Überfluss, und die Verkehrsverbindungen nach Amman sind frei.« Als er den Hörer auflegte, sandte er einen beunruhigten Blick zu dem Stadtplan an der Wand.
    »Herr Gouverneur, das Feuer breitet sich in zahlreichen Teilen
der Stadt aus«, mischte sich Abu Nabil ein. Es war das erste Mal, dass er ihn seit jenem Artikel, der sie entzweit hatte, ansprach.
    »Das ist natürlich, sie schießen auf uns und wir auf sie«, antwortete ihm der Gouverneur würdevoll und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Abu George betrachtete die beiden überheblichen Männer vor ihm. Beide sind so aufgeblasen wie ihre Bäuche, lächelte er in sich hinein. »Auf dem Weg hierher habe ich keinen einzigen Polizisten auf der Straße gesehen, wo sind unsere Sicherheitskräfte?«, fragte er.
    »Keine Sorge, sie befinden sich an den erforderlichen Stellen. Man hat Anweisung gegeben, ihre Präsenz zu verstärken.«
    Das Telefon klingelte erneut. »Schönen guten Morgen, verehrter Scheich, aber bitte, ja, ich verstehe …« Für einen Moment bedeckte er die Hörermuschel und sagte zu den Journalisten: »Bitte entschuldigen Sie mich, es ist Scheich al-Haram asch-Scharif, vom Tempelberg«, und lauschte wieder höchst aufmerksam. »Ja, verehrter Scheich, Sie können sicher sein, dass die Armee die Stadt wie ihre eigene Seele schützt. Wir teilen Waffen an die Bewohner aus. Die Juden werden es nicht wagen, sich den Mauern der Altstadt zu nähern.«
    Als er aufgelegt hatte, fragte Abu Nabil, ob es Informationen bezüglich einer eventuellen Intervention der Sowjetunion in diesem Krieg gebe.
    »Dazu wird überhaupt keine Notwendigkeit bestehen«, stellte der Gouverneur kategorisch fest. »Seine Majestät hat mir heute Morgen enthüllt, dass ihr Regierungsoberhaupt, Levi Eschkol, Boten mit der flehentlichen Bitte zu ihm geschickt hat, das Feuer nicht zu eröffnen.«
    Abu Nabil beeilte sich, die brandneue Nachricht zu notieren.
    »Eschkol hat nicht begriffen, wie er sich damit entblößt hat. Sie erinnern sich, wie er vor einigen Tagen eine Ansprache im Radio hielt, um sein Volk zu ermutigen, und vor lauter Angst stotterte? Der arme Tropf! Ha, ha …« Der Gouverneur brach in nervöses
Gelächter aus. »Unser König, der so weise ist wie sein Großvater Abdallah, hat den wunden Punkt sofort erkannt und beschlossen, dass jetzt, da sie schwach sind, die Zeit gekommen ist, sie anzugreifen.« Er zog eine Schachtel aus der Schreibtischschublade, entnahm ihr eine Zigarre, schnitt die Spitze ab und reichte die Schachtel seinen Gästen.
    »Wie lang wird der Krieg Ihrer Einschätzung nach dauern?«, fragte Abu Nabil und zog genussvoll an der Zigarre.
    »Das kommt darauf an, wir haben ein Problem mit der Truppenstärke, allerdings kein großes. Wir dachten, dass die Streitkräfte des Feindes alle auf dem Sinai zusammengezogen würden, doch wie sich herausstellte, haben sie hier Reserveeinheiten zurückgelassen, mehr als wir dachten. In dieser Stunde strömen Panzerkorps, Tanks und Infanterie von Amman nach al-Quds. Auch irakische Soldaten sind die ganze Nacht hierhergestürmt, und unsere syrischen Brüder sind bereit, das Feuer des Krieges an der Nordfront zu eröffnen, alles läuft wie geplant«, resümierte er zuversichtlich. »Wir haben die Lektion aus al-Nakbe, der Katastrophe, gelernt. Unsere neuen Führer mit Nasser und Hussein, Allah möge sie behüten, an der Spitze führen uns einem unaufhaltsamen, machtvollen Sieg entgegen!«
    Als Abu Nabil den Namen Nassers hörte, den er verehrte, leuchteten seine Augen auf. Abu George blickte ihn und den Gouverneur an. Beide waren Muslime, geborene Ostjerusalemer. Er war der Einzige hier, der in Talbieh, auf der westlichen Seite, geboren
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