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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
Autoren: Charlotte Brontë
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sie wollte weiter nichts, als uns alle herbeilocken. Ich kenne ihre bösen Streiche schon.«
    »Was gibt es denn hier?«, fragte eine andere Stimme gebieterisch. Mrs. fegte mit flatternden Haubenbändern und wehendem Kleid den Korridor entlang. »Abbot und Bessie, ich glaube, dass ich Befehl gegeben habe, Jane Eyre in dem Roten Zimmer zu lassen, bis ich selbst sie holen würde.«
    »Miss Jane schrie so laut, Madam«, wandte Bessie zögernd ein.
    »Lasst sie los«, war Mrs. Reeds Antwort. »Lass Bessies Hand los, Kind! Verlass dich darauf, auf diese Weise wirst du nicht hinausgelangen. Ich verabscheue solche List, besonders bei Kindern; es ist meine Pflicht, dir zu beweisen, dass du mit derartigen Ränken und Schlichen nicht weit kommst. Jetzt wirst du noch eine ganze Stunde hierbleiben, und auch dann gebe ich dich nur frei, wenn du mir das Versprechen gibst, vollkommen ruhig und gehorsam zu sein.«
    »Oh, Tante, habt Erbarmen! Vergebt mir doch! Ich kann, ich kann es nicht ertragen … Bestraft mich doch auf andere Weise! Ich komme um, wenn …«
    »Sei still! Diese Heftigkeit ist ganz widerlich und empörend!«
    Ohne Zweifel hegte sie Abscheu gegen mein Betragen. In ihren Augen war ich eine frühreife Schauspielerin; sie sah in mir eine Verkörperung der heftigsten Leidenschaften, geprägt von einem niedrigen, gemeinen Geist und gefährlicher Falschheit.
    Als Bessie und Abbot sich zurückgezogen hatten, warf Mrs. Reed, die meiner wilden Angst und meines lauten Schluchzens wohl müde geworden war, mich rasch in das Zimmer zurück und schloss mich ohne weitere Worte wiederein. Ich hörte noch, wie sie davonrauschte, und bald nachdem sie gegangen war, muss ich in Krämpfe verfallen sein: Bewusstlosigkeit machte der Szene ein Ende.

Drittes Kapitel
     
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich mit dem Gefühl eines schrecklichen Albtraumes erwachte: Vor mir sah ich eine unheimliche rote Glut, von der sich dicke, schwarze Gitterstäbe abhoben. Ich hörte Stimmen, die so hohl an mein Ohr klangen, als würden sie durch Wasserrauschen oder das Toben des Windes übertönt. Aufregung, Ungewissheit und ein alles beherrschendes Gefühl des Entsetzens hielten meine Sinne gefangen. Es vergingen nur wenige Augenblicke und dann gewahrte ich, dass jemand mich berührte, mich aufhob und in eine sitzende Stellung brachte, und zwar viel zärtlicher und sorgsamer, als mich bis jetzt irgendjemand gestützt oder emporgehoben hatte. Ich lehnte meinen Kopf gegen einen Arm oder ein Polster und fühlte mich unendlich wohl.
    Nach fünf Minuten lösten sich die letzten Wolken der Bewusstlosigkeit auf. Jetzt wusste ich sehr wohl, dass ich in meinem eigenen Bett lag, und dass die rote Glut nichts anderes war, als das Feuer im Kamin des Kinderzimmers. Es war Nacht, eine Kerze brannte auf dem Tisch; Bessie stand am Fußende meines Bettes und hielt eine Waschschüssel in der Hand. Ein Herr saß auf einem Lehnstuhl neben mir und beugte sich über mich.
    Ich empfand eine unbeschreibliche Erleichterung, eine wohltuende Überzeugung der Sicherheit und der Geborgenheit, als ich sah, dass sich ein Fremder im Zimmer befand, ein Mensch, der nicht zum Haushalt von Gateshead, nicht zu den Verwandten von Mrs. Reed gehörte. Mich von Bessie abwendend – obgleich ihre Gegenwart mir weitweniger unangenehm war, als mir zum Beispiel Abbots Gesellschaft gewesen wäre –, prüfte ich die Gesichtszüge des Herrn. Ich erkannte ihn: Es war Mr. Lloyd, ein Apotheker, den Mrs. Reed zuweilen rufen ließ, wenn ihre Dienstboten krank waren. Für sich selbst und ihre Kinder nahm sie immer nur die Hilfe des Arztes in Anspruch.
    »Nun, wer bin ich?«, fragte er.
    Ich sprach seinen Namen aus und streckte ihm gleichzeitig meine Hand entgegen. Er nahm sie, lächelte und sagte: »Ah, wir werden uns jetzt langsam erholen.« Dann legte er mich nieder, wandte sich zu Bessie und empfahl ihr, sehr vorsichtig zu sein und mich während der Nacht nicht zu stören. Nachdem er noch weitere Weisungen erteilt und gesagt hatte, dass er am folgenden Tag wiederkommen würde, ging er zu meiner größten Betrübnis fort. Während er auf dem Stuhl neben meinem Kopfkissen saß, fühlte ich mich so beschützt, so sicher, und als sich die Tür hinter ihm schloss, wurde das ganze Zimmer dunkel und mein Herz verzagte von Neuem unter der Last einer unbeschreiblichen Traurigkeit.
    »Glauben Sie, dass Sie schlafen können, Miss?«, fragte Bessie mich ungewöhnlich sanft.
    Kaum wagte ich, ihr zu
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